Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Baden Baden. Nicht einmal das „No more bets“ erklang, hier wurde noch deutsch gesprochen, mit sächsischem Dialekt, oder russisch. Die Sprache war mir aber egal und auch die Dialekte, mir ging es um den Gewinn. Und der war mir dank meiner Sanduhr sicher. Aber nur für eine kurze Zeit. Beim Ziehen der 22 erklang ein lautes Raunen am Tisch, einige der Gäste klatschten als Tommy und ich das zweite Mal die Chips vom Tisch abräumten. Wir gaben die obligatorischen Trinkgeldchips den Croupiers am Tisch. Ich hatte gehört, sie bekämen kein Gehalt und lebten ausschließlich von den Trinkgeldern der gewinnenden Spieler. Wie auch immer, von unserem Trinkgeld konnten sie einige Wochen leben. Wir gingen beide zur Kasse und tauschten die Chips in Euro um.
Es war ein erhebendes Gefühl so viel Bargeld vorgezählt zu bekommen. Ich gab meinem Freund den versprochenen Anteil von etwas über fünftausend Euro. Er steckte die Scheine in seine Brieftasche, die wohl selten zuvor so reich gefüllt gewesen war. Wir tranken noch zwei Gläser Wein an der Bar, bevor wir uns unsere Mäntel an der Garderobe abholten und ich die Geldbündel in eine mitgebrachte, zerknautschte Aldi-Tüte steckte. Ich kam mir sehr raffiniert vor, wer würde wohl über fünfzigtausend Euro in einer billigen Plastiktüte vermuten. Es herrschte ein typisches Novemberwetter, der Regen peitschte uns ins Gesicht. Ich hatte mir vorgenommen, eine Taxe zu nehmen, aber wo sonst ein halbes Dutzend Taxis verzweifelt auf einen Fahrgast warteten, stand in dieser Nacht kein einziges Fahrzeug. Wir hätten versuchen können, per Handy ein Taxi zu rufen, aber wir waren nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt und mit der U-Bahn waren es nur fünf Stationen bis nach Hause. „Wir nehmen die U-Bahn.“ Tommy nickte, wir lösten am Automaten zwei Tickets und stiegen in den bereits wartenden Zug, der zwei Minuten später seine Fahrt Richtung Hönow aufnehmen sollte. Trotz der späten oder besser der frühen Tageszeit war die U-Bahn so voll, dass es unmöglich war, einen Sitzplatz zu bekommen. Für die wenigen Stationen war dies auch nicht unbedingt nötig. Ich stellte mich an die hintere Tür und klemmte die Tüte fest zwischen meine Beine. Mein Freund stellte sich mit dem Gesicht zu mir. Keiner der Touristen aus aller Herren Länder, der halb angetrunkenen Party- und Bargänger, der erst vor wenigen Stunden aus dem Schlaf erwachten jugendlichen Discogänger oder der vor sich hinlallenden Pennern schenkte uns Beachtung. Als wir ausstiegen, zog es einen ganzen Pulk von Nachtschwärmern mit uns. Kaum hatten wir das Freie erreicht, peitschte uns wieder Regen ins Gesicht. Wir spannten unsere Taschenschirme auf, nahmen die Abkürzung durch die Nebenstraße und befanden uns nur noch fünfzig Meter von meinem Wohnhaus entfernt. Bis dahin war ich sehr aufmerksam gewesen, hatte Passanten genau gemustert und meine Aldi Tüte fest unter dem Arm. Die vertraute Nähe machte mich unvorsichtig und ich sprach aufgrund des klatschenden Regens, vielleicht spielte der genossene Alkohol auch eine Rolle, in lautem Ton mit Tommy. Ich weiß heute noch nicht, woher sie kamen, vielleicht hatten sie hinter einem Vorsprung des Nebenhauses gestanden und sich blitzartig von hinten genähert. Der aufgespannte Schirm rettete mir wahrscheinlich das Leben. Er fing einen Teil der Kraft ab, mit der die Flasche meinen Kopf traf. Es wurde noch dunkler um mich her, als es ohnehin schon war, ich war völlig benommen, wie gelähmt, aber nicht bewusstlos, ich hörte Schreien und Brüllen, dann Kampfgeräusche. Der Schlag, der meinen Freund treffen sollte, hatte nur seine Schulter gestreift und er war mit seinen 1,90m-Körpergröße keiner, der sich ohne Widerstand in sein Schicksal ergab. Zwei der Angreifer stürzten sich auf ihn, der dritte widmete sich mit kräftigen Tritten meiner Person. Ich versuchte, mit den Armen soweit wie möglich Gesicht und Kopf zu schützen, der Wollmantel dämpfte die schweren Stiefeltritte in die Seite und in den Rücken, dennoch blieb mir nach dem dritten oder vierten Tritt die Luft weg und ich hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Durch das laute Geschrei und die Hilferufe, die mein Freund in den regnerischen Nachthimmel ausstieß, öffneten sich einige Fester der umliegenden Häuser. Dann hörte ich eine Sirene. Und dann hörte ich gar nichts mehr. Beim Erwachen kam mir meine Umgebung bekannt vor.
Mein Gehirn schien nicht in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Natürlich, dies war
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