Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
würde es kosten, ihn für ein halbes Jahr zu mieten? Möglicherweise würde ich ihn im Anschluss erwerben.“
„Nun, ein Flügel in dieser Größe kostet dreihundertundfünfzig Euro Miete pro Monat, wenn sie ihn gleich sechs Monate nehmen, reduziert sich die Summe auf dreihundert Euro im Monat.“
Ich nickte. „Hört sich gut an. Könnte ich dieses Instrument hier bis Jahresende mieten?“ Sie verzog das Gesicht und lächelte etwas verkrampft. „Sie sehen das Schild? Es handelt sich um ein Ausstellungsstück bzw. um ein bereits vermietetes Instrument. Der Kunde lässt ihn sich immer kommen, wenn er in Berlin Urlaub macht.“
„Ich kenne dieses Instrument. Ich habe schon auf diesem Flügel gespielt. Er hat einen wunderbaren Klang. Vielleicht können Sie mir die Telefonnummer Ihres Kunden geben, ich rufe ihn an und frage, ob er ihn mir bis zu seinem nächsten Besuch überlassen würde. Ich habe Will Smith persönlich kennengelernt.“ Sie zögerte eine Sekunde, ich merkte, dass sie mit dem Namen nichts anfangen konnte. „Kann sein, dass sein Bekannter, Herr David Niven, für ihn den Mietvertrag unterschrieben hat. Ihr Gesicht blieb ohne Regung. „Tut mir leid, aber ich darf keine Kundendaten herausgeben. Der Flügel wird zwar erst am 1. Dezember wieder abgeholt und es ist natürlich schade, dass er bis dahin nicht gespielt wird, aber der Kunde hat auch für die Zeit bis dahin die Miete im Voraus entrichtet. Ich kann über das Instrument nicht verfügen. Aber schauen Sie sich um, wir haben einen unvergleichbaren Bechstein-Flügel in ähnlicher Größe, den könnten wir Ihnen schon morgen liefern. Ich würde Ihnen auch einen Sonderrabatt von zehn Prozent einräumen.“
Ich bedankte mich, aber ich hätte mich seit Kindertagen in Blüthner verliebt und würde nur auf diesem Instrument spielen wollen. „Wie lange läuft denn der Vertrag mit Ihrem Kunden noch, vielleicht könnte ich dieses Stück im Anschluss an seine Mietzeit erwerben?“
Sie musste nicht erst in ihre Bücher schauen, wahrscheinlich hatte Will Smith unter welchem falschen Namen auch immer, auf sie Eindruck gemacht, sie hatte alle Daten im Kopf. „Bis Ende Dezember dieses Jahres. Sollte er ihn dann nicht erwerben, könnten Sie ihn ab Januar 2009 gerne mieten oder kaufen. Geben Sie mir Ihre Adresse, ich melde mich bei Ihnen.“
„Danke sehr. Aber ich schaue zum Jahresende wieder bei Ihnen herein.“
Am 1. Dezember also. Dies war ein konkreter Termin und ein konkreter Anhaltspunkt. Bis dahin musste ich mich gedulden und das Jahr abarbeiten, das mir von allen vergangenen am vertrautesten war. Die Artikel zur Finanzkrise nahm ich kaum noch zur Kenntnis, zur Fußballeuropameisterschaft sah ich mir nur noch die Siegspiele der deutschen Mannschaft an. Dem Siegtreffer von Philipp Lahm in der letzten Minute zum 3:2 über die Türkei konnte ich durchaus noch einmal etwas Spaß und Freude abgewinnen. Beim Besuch im Krankenhaus bei meiner Tante nahm ich mir nun noch mehr Zeit, ich verzichtete auf die Premiere von Dark Knight, den Film, den ich inzwischen auswendig kannte und der für mich untrennbar mit Will Smith verbunden war. Meine Tante wunderte sich über mein Interesse an der Vergangenheit, ich fragte sie über unsere Verwandtschaft bis zum vierten Grad aus, über die Schicksale und die möglichen Wohn- und Aufenthaltsorte. Ich wollte eine Familienchronik erstellen, ein Stück Familiengeschichte für unsere Nachkommen aufbewahren. Bei der Verabschiedung umarmte ich sie mindest eine Minute lang, sie wusste gar nichts zu sagen vor Rührung. „Machs gut, Tante. Wir sehen uns wieder, das verspreche ich dir!“ Meine Frau konnte nicht begreifen, warum ich auf den Film mit Heath Ledger verzichten wollte.
„Den kann ich mir noch tausend Mal ansehen. Lass uns lieber zum Italiener gehen. Ich habe Appetit auf eine gute Lasagne.“
Den Tag vor der Trauerfeier nutzte ich zum Klavierüben. Ich spielte den Titel La Paloma mindestens zehnmal und konnte ihn diesmal fehlerfrei vortragen. Meine Tante hätte ich Freude gehabt. Vielleicht schaute sie auch von Wolke Sieben zu. Das Englandspiel der deutschen Mannschaft im November brachte mich selbst vor dem Fernseher erneut in Rage, obwohl ich es mir gar nicht mehr ansehen wollte. Aber meine Freunde und Neffen hielten mich ohnehin schon für gestört, da ich das Europameisterschaftsendspiel und einige andere Spiele der deutschen Mannschaft absichtlich versäumt hatte und sie nicht ahnen konnten, dass ich mir das
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