Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
finanziert wurden. Einige stammten aus Kuwait oder Saudi Arabien oder auch aus afrikanischen Zwergstaaten, deren Stammeshäuptlinge ihre erstgeborenen Söhne auf ihre künftigen Aufgaben in einem vormittelalterlichen Stammeswesen auf einer europäischen Universität vorbereiten lassen wollten. Auf keinen Fall wollte ich jemanden verletzen, daher verzichtete ich auf Attribute wie „primitiv“ oder „antiwestlich“ oder „archaisch“ und versuchte stattdessen, eine objektive Einschätzung der Entstehung und Wirkungsgeschichte des Islam zu geben. Auf seine Rolle bei der Entfaltung des weltweiten Terrors ab den 90er Jahren musste ich zum Glück zu diesem Zeitpunkt nicht eingehen.
Meine außerplanmäßigen Aktivitäten blieben kein Geheimnis und ich wurde vom Bereichsleiter zur Rede gestellt. „Wir unterrichten doch keine Religionsgeschichte, du scheinst die Sektion und den Bereich zu verwechseln.“ Ich begründete meine Themenwahl mit dem Argument, dass ich gerade am Beispiel der großen Religionen und ihrer Entwicklung die soziale Determination von weltanschaulichen Theorien aufzeigen könne. Dennoch hätte ich wahrscheinlich mein Engagement abbrechen müssen, wenn sich nicht einige der zahlungskräftigen ausländischen Studenten sehr positiv über meine Vorträge und Seminare zum Komplex „Weltreligionen“ geäußert hätten. Ich musste auf Anordnung der Sektionsleitung zwar zum vorgeschriebenen Lehrplan zurückkehren, durfte aber als fakultative Veranstaltung die religionsgeschichtlichen Themen weiter anbieten, was zu einer unglaublich produktiven Diskussion selbst unter weltanschaulich diametralen Studenten führte und mich so manches Mal in Hochstimmung versetzte und mich beim Schöpfer der Sanduhr bedanken ließ, weil ich die Vergangenheit in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Und für ein weiteres Ereignis war ich dankbar, dass ich nicht nur ein zweites Mal erleben durfte, sondern diesmal mit einem normal pochenden Herzen – die Geburt meiner Tochter Daniela. Jahrelang hatten Monique und ich um Nachwuchs gekämpft, und das Wort „gekämpft“ ist keineswegs unpassend für unsere fast täglichen und nächtlichen Bemühungen. Nach einigen Jahren mussten wir erfahren, dass unser Kindertraum nie in Erfüllung gehen würde. Ein großer Schock für uns beide, der einige Zeit unsere Beziehung belastete, bis wir uns ins Unvermeidliche fügten, damit abfanden und uns vornahmen, beim Bezug unserer ersten gemeinsamen Wohnung einen weißen Schäferhund anzuschaffen. Als eine Art Kinderersatz. Jetzt wusste ich, dass alle Prognosen der Ärzte falsch waren, wir mussten nur etwas mehr Geduld haben. Mit dem Wissen um die Geburt unserer Tochter konnte ich Monique aus tiefstem Herzen und mit großer Überzeugung beruhigen und ihr immer wieder Mut machen. Und die Nächte verliefen ohne Stress und selbst der Beischlaf am Tage machte wieder einfach nur Spaß und war keine Pflichtkür. Als meine Frau erfuhr, dass sie schwanger war, konnte ich sorglos feiern, weil ich den guten Ausgang kannte. Beim ersten Mal habe ich viele Nächte nicht schlafen können, vor Angst und Aufregung. Die Ärzte hatten eine Risikogeburt vorausgesagt und sogar zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten. Mir war so übel und ich musste mich des Öfteren übergeben, wahrscheinlich waren sich unsere Freunde nicht sicher, wer von uns beiden schwanger war. Aber mir kam der Film von 1973 „Die Legende von Paul und Paula“ in den Sinn, den wohl jeder DDR-Bürger mindestens zweimal gesehen hatte. Die große Liebe zwischen den beiden Hauptdarstellern wird durch den Tod Paulas bei der Geburt des gemeinsamen Kindes auf tragische Weise beendet.
Paula hatte auf die ärztlichen Ratschläge nicht gehört, alle medizinischen Bedenken einfach aus Liebe zu Paul und dem ungeborenen Kind von sich geschoben. Ich hatte natürlich große Angst, dass unserer Beziehung das gleiche Schicksal ereilen würde. Jetzt konnte ich die Monate und selbst die Stunden der Geburt von Daniela in vollen Zügen genießen, ich wusste, dass alles ohne Komplikationen ablaufen würde und mein unerschütterlicher Glaube, meine begründete Zuversicht übertrug sich auf Monique, die die Prognosen der Ärzte nun nicht mehr ernst nahm und lieber meinen optimistischen Voraussagen vertraute. Zurecht. Denn ich wusste, worüber ich sprach und was ich erlebt hatte.
19. Kapitel
Das Jahr 1989 wird immer als das Jahr der Wende, der großen Erschütterungen und als Jahr der die Welt bewegenden Bilder
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