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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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haben. Auch in meinem Land ist vieles schief gelaufen“, nachdenkliche Falten traten auf seine Stirn. „Woran sind die Russen gescheitert?, fragte ich ihn unvermittelt.
    „An den Amerikanern. Und an den eigenen Fehlern.“
    „Du meinst die materielle Unterstützung der Mudschaheddin durch die Amerikaner?“
    „Die zum einen. Wenngleich auch andere Länder ihre Hände im Spiel hatten und immer noch haben, vor allem Pakistan und Saudi Arabien und der Iran. Letztere wissen, was sie tun. Aber bei den Amerikanern glaube ich, dass sie sich nicht wirklich im Klaren darüber sind, was für Banditen sie mit modernen Waffen ausgerüstet haben. Es wird der Tag kommen, da werden sie jeder Rakete nachtrauern, die in die Hände der Gotteskrieger gelangte. Aber dies ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Ich habe dir vor Jahren meine Bedenken gegen eine militärische Besatzung mitgeteilt. Leider haben die sich bestätigt. Die verfeindeten Völker und Clans hatten nun einen gemeinsamen Feind, der die eigenen Differenzen vergessen ließ. Und die Russen haben zu viele Fehler gemacht. Sie glaubten, einen regulären Krieg zu führen, aber sie führten einen asymmetrischen, um einen Aufständischen in den Bergen zu fangen oder zu töten brauchten sie eine gesamte Kompanie und ein halbes Dutzend Hubschrauber. Und mindestens drei oder vier unschuldige Zivilisten verloren bei jedem Gefecht mit ihr Leben, was die antirussische Stimmung bei den Bauern und Bergbewohnern immer stärker anheizte. Zumal die vielen Kämpfe und die ständigen Kontrollen an Grenzen und Straßen den Handel behinderten und das Leben der einfachen Afghanen erschwerten. Wir hätten materielle Hilfe gebraucht“
    „Und nun, ohne russische Truppen, glaubst du, deine Regierung kann sich halten?“ Ahmed zuckte mit den Schultern. „Es wird schwer. Nadschibullah ist bei vielen Afghanen verhasst, er war bis zu seiner Präsidentschaft 1986 Chef der KHAD, der Geheimpolizei, die oft hart und grausam gegen Verhaftete vorgegangen ist. Ich habe im Verteidigungsministerium gearbeitet und mehrfach gegen die mir bekannt gewordenen Praktiken Einspruch erhoben, daraufhin meinte man, ich sei zu weich und habe nicht begriffen, worum es bei diesem Kampf gehen würde. Ich wurde entlassen, aber mein Schwiegervater hat dafür gesorgt, dass ich einen Posten im Außenministerium erhalten habe. Diese Stellung würde meinem nachgiebigen Wesen und diplomatischen Geschick besser entsprechen, meinte er. Im Grunde habe ich jetzt einen Abschiebeposten und keinen wirklichen Einfluss mehr. Die atheistische Propaganda ist vollkommen eingestellt worden, Nadschibullah meint, man dürfe die Gefühle der Moslems nicht weiter reizen, er betet jetzt selbst fünfmal am Tag und erfleht den Segen Allahs für seine Regierung. Wenn mir das jemand vor fünf Jahren erzählt hätte, wäre ich in lautes Lachen ausgebrochen. Der einzige Lichtblick ist die Tatsache, dass wenigstens General Raschid Dostum, der Usbekenführer, unserer Regierung seine Loyalität versichert hat.“ Jetzt hätte ich am liebsten laut losgelacht. Aber dies hätte Ahmed nicht verstanden und wahrscheinlich beleidigt. Ich kannte die Ergebnisse dieser Loyalität und der ständigen Seitenwechsel, aber meinem Freund hätte dieses Wissen wenig geholfen. Zur vorgerückten Stunde und nach Leerung der Flasche Wein konnte ich nicht umhin, doch mehr zu erzählen, als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte.
    „Weiß du, Ahmed, ich habe mich seit einigen Jahren sehr intensiv mit deinem Land und der Entwicklung beschäftigt,
    manches kennst du aus eigenem Erleben natürlich besser, aber ich kann dir nur raten, verlass, falls die Mudschaheddin doch die Regierung stürzen und Kabul besetzen sollten, so schnell wie möglich mit deiner Familie deine Heimat. So schwer es dir auch fallen mag, es ist, das kannst du mir glauben, besser so. Irgendwann kommt der Tag, an dem du wieder zurückkehren kannst.“
    Ahmed war verwirrt. „Wo denkst du hin, ich kann doch meine Heimat nicht im Stich lassen, außerdem tust du ja so, als ob schon alles verloren wäre. Ich denke, es wird schwer, aber wir können es schaffen, viele Kabuler und andere Großstädter haben auch von der jetzigen Regierung profitiert und die Gesetze sind zum Teil sehr fortschrittlich, vor allem für die Frauen.“
    „Dann werdet ihr wohl die Frauen bewaffnen müssen, um den Gotteskriegern Paroli bieten zu können“, meinte ich lakonisch. „Wer weiß schon, wie alles kommen wird, niemand kann

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