Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
in die Zukunft schauen.“ Da irrte er sich gewaltig, aber ich konnte diesen Irrtum nicht aufklären. Ahmed lächelte plötzlich. „Genug von Politik und Grübeleien. Lass uns von etwas anderem reden. Ich weiß aus deinen Briefen, dass du in den letzten Jahren Vorlesungen zum Buddhismus gehalten hast?“
„Das stimmt, die Resonanz der Studenten war sehr groß und ich denke, ich habe selbst viel dazu gelernt.“
„Dann kannst du morgen noch mehr dazu lernen, quasi praktischen Anschauungsunterricht über die buddhistische Kultur erhalten. Ich möchte dir und Monique eines der beeindruckendsten Denkmäler unseres Landes und des Buddhismus zeigen. Wir werden morgen ins Bamiyan Tal fahren.“
Ich musste mir etwas einfallen lassen, um Ahmed von diesem Vorhaben abzubringen. Die Fahrt dorthin und die Besichtigung der Buddha Statuen hatten mir mehr als gefallen, es waren Eindrücke, die ich noch immer bis ins Detail im Gedächtnis gespeichert hatte. Aber ich kannte auch die blutigen Folgen dieser Tour. Wir brachen am frühen Morgen auf, Khalif fuhr den Lincoln, Ahmed saß auf dem Beifahrersitz und Monique und ich hatten auf dem Rücksitz Platz genommen.
Vor unserem Wagen fuhr ein offener Jeep mit vier jungen, mit Kalaschnikows bewaffnete Soldaten. Ich fragte Ahmed nach dem Fahrzeug. „Mein Schwiegervater hat vier Soldaten abkommandiert, die unseren Schutz garantieren sollen, es gibt in den letzten Wochen immer häufiger Überfälle, je weiter man sich von Kabul entfernt, je gefährlicher wird es. Ich denke, es ist besser so, euch soll doch bei eurem Aufenthalt nichts passieren.“ Wir fuhren in nordwestlicher Richtung, zweimal mussten wir Straßensperren passieren, an denen alle Autos von Soldaten kontrolliert wurden, dank unseres Begleitfahrzeuges wurden wir sofort durchgewunken. Nach etwa dreieinhalb Stunden erreichten wir das Bamiyan Tal, in Zentralafghanistan, es gehörte zum Siedlungsgebiet der Hazara, einem turkmenisch-mongolischstämmigen Volk, das den schiitischen Islam vertritt. Die Hazara, so erzählte mir Ahmed, gehörten zu den Minderheiten des Landes, sie wären immer wieder Opfer von Diskriminierungen geworden. Während der Jahre seit 1979 hätte sich ihre Lage aber verbessert, es gäbe auch Schulen für die Kinder und sie könnten als konfessionelle Minderheit ihren Glauben ohne Restriktionen ausüben. Ihre Kleidung war farbenfroh, es überwog ein kräftiges Blau. Die Kinder, die vor den Häusern spielten, winkten uns beim Vorbeifahren freundlich zu. Die Frauen, die wir auf der Straße sahen, trugen Kopftücher, aber keine Einzige hatte eine Burka an. Bei meinem zweiten Aufenthalt wusste ich, dass ihnen das Schlimmste erst noch bevorstand: Drei Jahre später wurden sie gezielt von den tadschikischen Gotteskriegern verfolgt und getötet und 1997 verübten die Taliban bei der Rückeroberung Mazar-e Scharifs ein grausames Massaker unter der Bevölkerung dieses Gebietes, auch viele Frauen und Kinder wurden bestialisch abgeschlachtet. Im Namen Allahs. Die Landschaft war, obwohl der Winter einem das sonst wohl üppige Grün und Gelb der Felder und Weiden vorenthielt, doch beeindruckend, es gab Pferdekoppeln, große Schafherden, viele kleine Lehmstrohhütten und die majestätischen Berge mit ihren weißen Kämmen, die alles umschlossen. Kurz vor dem rötlichen Felsmassiv hielt der Jeep. Wir parkten wenige Meter hinter ihm. Nicht weit entfernt stand ein kleiner, völlig verstaubter, blauweiß gespritzter Reisebus, vor dem neun oder zehn, wie ich an der Sprache erkennen konnte, französische Touristen mit ihren beiden Reiseführern und zwei afghanischen Polizisten, die den Schutz der Touristen garantieren sollten, in eine heftige Diskussion verwickelt waren. „Gibt es noch offizielle Touristenreisen?“, fragte ich Ahmed.
„Durch den Krieg ist der Tourismus fast zum Erliegen gekommen früher standen hier zehn oder zwanzig große Reisebusse auf einmal. Wenn heute zehn oder zwanzig Reisende pro Tag die Statuen besichtigen, ist dies schon viel. Ich hoffe, dass die Kämpfe bald beendet sind und wir wieder die Tourismusbranche ankurbeln können. Die Einnahmen fehlen uns sehr.“ Ich nickte zustimmend, obwohl ich wusste, dass die Einnahmen aus dieser Branche auch 2008 verschwindet gering sein würden. „Dies“, erklärte mir Ahmed und zeigte auf das Tal und die Felsen, „war vor eintausendfünfhundert Jahren ein Handelsknotenpunkt und buddhistisches Zentrum, bis im 9. Jahrhundert die Araber dieses Gebiet
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