Die Geier
bunten Blu-
men füllten, die Schwimmbecken säuberten, sämtliches
Geschirr spülten, die Hecken stutzten und die weißen
Kieswege harkten, kam Bewegung in das Haus, das für
einige Stunden auflebte, um anschließend erneut in
seine gewohnte Benommenheit zurückzufallen.
Alexander hatte an alles gedacht. Da er die Vorliebe
seiner Frau für diese Art von Musik kannte, ließ er wö-
chentlich für mehrere Stunden sogar einen berühmten
Violinisten aus Österreich einfliegen. Die Bibliothek,
die Diskothek und die Videothek waren sowohl mit
Neuerscheinungen als auch mit Klassikern gefüllt. Aber
das alles half nichts: Pamela verwelkte nach und nach.
Vom großen Fenster aus betrachtete Hugo Russel den
wunderschönen Körper des reichsten Fotomodells auf
der ganzen Welt. Er spürte, wie sich in seiner Hose et-
was zu regen begann. Mein Gott! Einer solchen Folter
kann doch kein Mann widerstehen. Er schüttelte sich
und wurde erneut unruhig. Er mußte unbedingt etwas
unternehmen, um Pamela von ihrer Verdrossenheit zu
befreien.
Obwohl er sich der Notwendigkeit bewußt war, zö-
gerte er, Zorski über seine Besorgnis zu unterrichten.
Angesichts des bevorstehenden Skandals in der Presse
hatte der berühmte Chirurg vermutlich andere Sorgen
als die möglicherweise nur eingebildeten Depressionen
einer Milliardärsgattin. Zudem war dieses Exil Sirchos'
Idee gewesen, und eine Beschwerde von Seiten Russels
drohte den Milliardär erheblich zu verstimmen. Ein un-
lösbares Problem.
Der Arzt schaute auf die Uhr, verließ die Villa und
stieg die wenigen Stufen zum Swimmingpool hinunter.
Pamela hörte seine Schritte und öffnete die Augen.
Russel schauderte. Im Vergleich zu diesem Mädchen
sah Merle Oberon aus wie Marty Feldmann. Pamela
schmollte wie ein kleines Kind.
»Noch eine kleine Viertelstunde«, bettelte sie. »Die
Sonne tut mir so gut.«
Russel ergriff einen Sonnenschirm und hielt ihn so,
daß Pamelas Körper im Schatten lag.
»Sie sind noch schlimmer als mein Mann!« prote-
stierte Pamela und richtete sich auf.
Widerspruchslos schluckte Russel diese Bemerkung.
Eine Krankenschwester rollte das Elektrokardio-
gramm-Gerät an den Liegestuhl heran. Eines der Räd-
chen quietschte fürchterlich. Russel schaltete das Gerät
ein und beobachtete die leuchtende Linie.
»Warum kommen Ihre Freunde Sie nie hierher besu-
chen?« fragte er nach einer Weile.
Überrascht drehte Pamela sich um.
Es war das erste Mal, daß er eine persönliche Frage an
sie richtete, und zudem nicht in diesem emotionslosen
Ton, in dem Ärzte gewöhnlich mit ihren Patienten zu
sprechen pflegen. Bisher hatte sie stets geglaubt, jedes
Wort aus dem Mund dieses Mannes müsse eine thera-
peutische Wirkung haben und ihn genauso erscheinen
lassen wie diese seelenlose Villa: entsetzlich langweilig.
Russel starrte nach wie vor auf den Schirm.
»Ich weiß es nicht«, gestand sie und zuckte mit den
Schultern. »Ich nehme an, Alexander hat sie gebeten,
mich in Ruhe zu lassen.«
Den Vornamen ihres Mannes sprach Pamela stets mit
europäischem Akzent aus.
»Sie könnten sie doch anrufen«, schlug der Arzt vor.
Sie lachte kurz auf.
»Ich fürchte, das wäre ihnen äußerst peinlich«, er-
klärte sie und setzte sich ihre Sonnenbrille auf. »Zwei-
fellos hätten sie dann das Gefühl, den großen Alexander
Sirchos zu hintergehen!«
Russel räusperte sich, ohne vom Elektrokardiogramm
aufzuschauen.
»Ist's so interessant?« murmelte Pamela.
»Wie bitte?«
»Sehen Sie den Leuten nie in die Augen, wenn Sie
mit ihnen sprechen?« fragte sie.
Mit nervöser Hand schaltete Russel das Gerät ab. Er
fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut.
»Ihrem Herzen geht es sehr gut«, sagte er in einem
nun wieder sehr fachmännischen Ton. »Diesmal scheint
die Herzklappe zu halten und ...«
Pamela schwang die langen Beine zur Seite und
tauchte die Füße ins Meerwasser.
»Ich hätte große Lust zu schwimmen!« sagte sie fröh-
lich.
Einen Moment lang stand Russel mit halboffenem
Mund da und kam sich unheimlich lächerlich vor. Diese
Frau brachte ihn noch um den Verstand.
»Das kann ich Ihnen leider nicht erlauben«, stam-
melte er.
Pamela stieß einen kurzen Seufzer aus und schaute
den Arzt über das Perlmuttgestell ihrer Sonnenbrille
hinweg an.
»Sagen Sie mir bitte, Doktor Russel, ob diese Herz-
klappe in einem Jahr etwas stabiler sein wird.«
Der Arzt runzelte die Stirn.
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen
Weitere Kostenlose Bücher