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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Küchenmädchen zu plaudern. Seit Mathilde sie immer mal wieder dazu einteilte, ihr aufzuwarten und ihr diese oder jene Leckerei zu holen, hatte sie das Küchenpersonal kennengelernt, und sie fand es wesentlich angenehmer im Umgang als die Gespielinnen der Herzogin.
    Und dann sah sie den Ritter, der vom Palas aus auf das Küchenhaus zustrebte. Er war höfisch gekleidet, wahrscheinlich gehörte er zur Eskorte des Bischofs. Amra wollte sich rasch in den Schatten der Obstbäume zurückziehen, denn es gelüstete sie nicht nach einer kleinen höfischen Plauderei und den üblichen Schmeicheleien eines Ritters, aber dann ließ der junge Mann die Kapuze seines Mantels sinken, mit der er sich gegen den Regen geschützt hatte. Amra erkannte blondes Haar – und nun auch die Farben von Magnus’ Waffenrock.
    »Magnus!«
    Amra dachte nicht mehr darüber nach, dass sie den Ritter durch Verachtung hatte strafen und nie mehr das Wort an ihn hatte richten wollen. Sie fühlte nur noch, wie ihr Herz schneller schlug und wie sich ihre Beine ganz von allein in Bewegung setzten, um auf den jungen Ritter zuzulaufen.
    »Magnus, wo warst du?«
    Magnus wusste nicht, wie ihm geschah, als Amra plötzlich vor ihm stand, als wäre sie unter einem Regenvorhang hervorgeschlüpft. Er streckte die Hand nach ihr aus – und meinte zu träumen, als sie ihn nicht zurückwies. Ungläubig blickte er in ihr strahlendes Gesicht, nass vom Regen, aber unendlich lebendig und glücklich und erleichtert über das Wiedersehen.
    Er flüsterte ihren Namen, und sie schmiegte sich wie selbstverständlich in seine Umarmung. Ihr Kuss schmeckte nach Regen und Freiheit.
    »Amra … warum …«
    Magnus wagte kaum, die junge Frau loszulassen, um den Zauber nicht zu brechen. Und tatsächlich schien Amra zu ihrer spröden Art zurückzufinden, als sie sich von ihm löste.
    »Ich dachte, du wärst fort«, sagte sie. Es klang vorwurfsvoll.
    Magnus nickte. »Ich dachte, du wolltest, dass ich weggehe«, verteidigte er sich. »Du wolltest mich doch nicht mehr sehen. Du hast gesagt, du liebst mich nicht mehr.«
    Amra versuchte zu lächeln. »Steht es nicht einer Dame zu, beliebig mit ihren Rittern zu spielen? Kann ich Euch nicht für Eure Verfehlungen strafen, indem ich Euch vom Hofe verbanne, wie Guinevere einst Lancelot? Denn der mannigfaltigen Verfehlungen bekennt Ihr Euch doch wohl schuldig?«
    Es sollte sich wie eine der kleinen Neckereien anhören, die Mathilde schon den ganzen Morgen mit Herrn Florestide tauschte, doch für Magnus klang es eher verzweifelt.
    Er zog Amra an sich. »Ich mag Schuld angehäuft haben, aber ich habe dafür gebüßt«, erklärte er ernst. »Glaub mir, Amra, jeder Tag ohne dich … Ich bin fortgegangen, um dich zu vergessen, aber ich habe mich jede Stunde nach dir gesehnt. Und wenn du jetzt immer noch willst, dass ich mit dir fortlaufe … Ich weiß nicht, wo ich dich hinbringen sollte, doch ich will mich nicht wieder von dir trennen! Was ist mit dem Herzog, Amra? Und der Herzogin?«
    Weder Magnus noch Amra bemerkten, dass der Regen sie völlig durchnässte, während sie redeten. Amra erzählte von ihrer verfahrenen Lage zwischen Heinrichs Werben und Mathildes Hass, und Magnus schilderte die Mission des Bischofs.
    »Es gäbe so viel Platz in diesen slawischen Ländern«, meinte er schließlich. »Diese unendlichen Wälder – der Herzog könnte sie roden lassen und Lehen um Lehen vergeben. Vielleicht gibt König Waldemar auch bald klein bei und Herzog Heinrich erhält die Festlandbesitztümer der Ranen. Noch mehr Land! Vielleicht gibt er mir ja dort ein Lehen. Und es wäre doch sehr passend, wenn ich dann eine ranische Fürstentochter heiratete.« Er lächelte Amra ermutigend zu. »Jedenfalls war Herr Heinrich heute Morgen sehr huldvoll«, fügte er hinzu, als sie skeptisch die Stirn runzelte. »Er hat jeden von uns Rittern reich beschenkt, die Mission des Bischofs war wohl äußerst erfolgreich. Was mich in Loyalitätskonflikte bringt …«
    Magnus berichtete von dem Feldzug der Obodriten gegen den dänischen König.
    »Wenn ich mich jetzt Heinrich gegenüber als treu erweise, dann muss er mich irgendwann belohnen. Er muss mir ein Lehen geben.«
    Magnus machte eine hilflose Geste. Er wollte daran glauben, dass es für ihn und Amra eine Zukunft gab. Auch ohne eine Flucht ins Ungewisse. Vorerst dankte er jedoch seinem Schöpfer, dass Amra den Plan, mit ihm fortzulaufen, nicht gleich wieder aufgriff. Vielleicht, um nicht schon wieder einen neuen

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