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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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stockdunkel, im Turm sind nur oben bei den Wehrgängen ein paar Öffnungen.«
    Das war Amra nicht aufgefallen, doch sie hatte Magnus natürlich auch bei Nacht besucht. Jetzt schauderte es sie erneut. Das klang noch viel schlimmer, als sie es sich bislang vorgestellt hatte. Wochen in fast völliger Dunkelheit und Hunger leidend? Natürlich konnte man im Gefängnis nicht die Kost eines Königs erwarten, aber … Amra hoffte, dass man wenigstens Magnus’ Ketten gelockert hatte.
    »Und wie … wie geht es ihm?«, fragte sie stockend.
    Natasa zuckte die Schultern. »Nicht gut, Herrin«, gab sie dann Auskunft. »Er schmachtet bei Wasser und Brot, und sie lassen ihn niemals herumgehen oder frische Luft schnappen. Es ist auch kalt in dem Turm, obwohl ja jetzt Sommer ist. Im Winter wäre er wahrscheinlich längst erfroren. Und Plamen, also der Kerkerwächter, meint …«, Natasa errötete erneut, offensichtlich blieb die Zuneigung des Wachmanns nicht ganz unerwidert, »… also, er meint, der Herr Pribislav wolle, dass der Ritter stirbt. Und die Könige Heinrich und Waldemar …«
    »Heinrich ist ein Herzog«, berichtigte Amra und spielte nervös mit einem Band ihres Kleides.
    Natasa nickte desinteressiert. »Die Herzöge Heinrich und Waldemar«, berichtete sie aufgebracht weiter, »die lassen sich Zeit mit ihren Boten. Weil sie auch wollen, dass er stirbt. Dann müssen sie keine Entscheidung mehr treffen …«
    Amra sah die junge Frau entsetzt an. Die Heimtücke dieser Überlegung war für sie kaum zu fassen. »Aber … aber er … ein Ritter stirbt doch nicht so schnell, sie können doch nicht annehmen …«
    »Ein Ritter kann an Lungenbrand sterben wie alle anderen auch«, mischte sich die ältere Kammerfrau sichtlich bedauernd ein. »Wenn er in Ketten liegt in Kälte und Nässe. Er kann auch Hungers sterben oder verdursten, wenn jemand sein Wasser vergisst. Aber so einer ist der Plamen nicht, auch wenn’s dem Herrn Pribislav wohl passte.«
    Plamen, der junge Kerkerwächter, schien sich allgemeiner Zuneigungen zu erfreuen.
    »Aber da müssen wir doch etwas tun!«, rief Amra verzweifelt. »Was können wir denn da machen? Ich werde mit Herrn Pribislav reden. Er muss …«
    Amra hielt inne. Wenn Pribislav überhaupt Zugeständnisse machte, würde er einen Preis dafür fordern.
    »Ich bringe ihm ja immer wieder mal etwas«, meinte Natasa. »Die Reste für die Armen oder Abfälle aus der Küche, das merkt keiner. Nur Plamen muss natürlich wegschauen. Aber der ist ja ein guter Kerl. Er argwöhnt nur manchmal, ich hätt ein Auge auf den Ritter geworfen.«
    Amra griff sich an die Stirn. Nicht auszudenken, dass Magnus letztlich ein Opfer der Eifersucht seines Wächters werden sollte! Entschlossen begab sie sich zu einer ihrer Truhen.
    »Hier, Natasa.« Mit leisem Bedauern förderte sie das letzte ihrer Schmuckstücke daraus hervor, die Fibel mit dem Falkenkopf des Herzogs. »Gib das deinem Plamen. Es mag deine Mitgift sein, wenn du ihn heiraten willst. Aber er soll den Herrn Magnus gut behandeln. Vielleicht kann er ihm eine Decke geben, wenn es kalt ist, oder wenigstens mehr Stroh.«
    Natasa starrte sprachlos auf das Schmuckstück. Für die Dienerin, sicher eine Leibeigene ebenso wie ihr Freund, stellte die Fibel ein Vermögen dar. Plamen würde Natasa und sich selbst freikaufen können, und wenn er fleißig war, stand eine hoffnungsvolle Zukunft vor ihm. In der Umgebung der Mikelenburg wurde viel gerodet. Wenn sich Plamen und Natasa einer Siedlergemeinschaft anschließen konnten, würden sie es zu der Stellung halbwegs freier Bauern bringen. Natasa machte Anstalten, Amra die Hände zu küssen.
    »Lass«, meinte Amra peinlich berührt, »sieh nur zu, dass es Herrn Magnus ein wenig besser geht in seinem Verlies.«
    Natasa und Plamen taten ihr Bestes, aber ein paar Tage später schien sich Magnus’ Kerkerhaft ohnehin dem Ende zuzuneigen. Herzog Heinrich und König Waldemar schickten beide ihre Boten, sie trafen am gleichen Tage ein, als hätten die Herren sich abgesprochen. Die Ritter des Herrn Heinrich begleiteten einen mageren, streng wirkenden Lehrmeister des kanonischen Rechts, einen schwarz gekleideten asketischen Kleriker. König Waldemar sandte einen rundlichen, rotgesichtigen Mönch in brauner Kutte. Gemeinsam mit dem Bischof sollten die beiden das Kirchentribunal bilden, vor dem sich Magnus zu verantworten hatte.
    Amra sah sie beide nur vom Fenster ihrer Kemenate aus, erst bei der Abendmesse in der Burgkapelle konnte sie

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