Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
können, nur so, wie es ihm jetzt geht, so halb verhungert und schwach … Selbst ich könnte ihn heute schlagen, Frau Amra.«
Amra bekreuzigte sich, als die Messe endete. Gleich darauf folgte, dieses Mal zur Erleichterung der jungen Frau, eine weitere.
»Und warum erzählt Ihr mir das jetzt?«, fragte sie unglücklich. »Gibt es irgendetwas, was ich tun könnte? Ich weiß, ich habe ihm versprochen, mit ihm zu fliehen. Bisher habe ich jedoch keine Möglichkeit gefunden.«
»Er will Euch nur noch ein Mal sehen«, sagte Rudolf leise. »Er bittet Euch, in den Burghof zu kommen, wenn sie ihn zum Palas führen, wo Gericht gehalten wird. Er sagt, er … er will nicht, dass Ihr ihn sterben seht. Vielleicht könnt Ihr Euch dem Kampf oder der Hinrichtung fernhalten. Aber bitte erlaubt ihm einen letzten Blick auf Euch, bevor er sich seinen Richtern stellt! Macht es möglich, Frau Amra. Er braucht alle Kraft, die er bekommen kann.«
Kapitel 7
A mra war entschlossen, sich im Zweifelsfall auch mit Gewalt Zugang zum Burghof zu verschaffen, aber wie sich herausstellte, hatte Pribislav gar nichts dagegen, dass die Frauen sich die Vorbereitung zur Urteilsfindung ansahen.
Das Ganze begann mit einer Messe in der Burgkapelle. Wie immer nahmen Relana und die anderen Frauen die vorderen Plätze ein, und die Ritter, an diesem Tag war die gesamte Besatzung der Burg zugegen, drängten sich dahinter. Und schließlich ging ein Raunen durch die Menge – zwei Burgwächter schleiften den Gefangenen herein. Amra konnte nur aus dem Augenwinkel einen Blick auf Magnus werfen – sie stand genau unter Beobachtung und war auch zu weit von ihm entfernt, was sie hingegen sah, erschreckte sie zutiefst. Magnus war bleich und abgemagert, er zwinkerte selbst in das Zwielicht der Kapelle, nach der langen Dunkelheit im Kerker schien er fast blind. Er konnte kaum gehen, seine Glieder waren steif nach der langen Zeit in Ketten. Immerhin trug er saubere Kleidung, aber mehr an Körperpflege hatte man ihm nicht zugestanden. Sein eingefallenes Gesicht war von einem dichten blonden Bart bedeckt. Er sah eher aus wie ein asketischer Einsiedler als wie ein Ritter, und er hielt den Kopf gesenkt. In Amra stieg Furcht auf. Sie konnte nur hoffen und beten, dass Pribislav vielleicht Magnus’ Körper, nicht jedoch seinen Stolz gebrochen hatte.
Als das letzte Loblied der Messe, in der die Richter die Gnade des Herrn auf ihr löbliches Vorhaben herabgerufen hatten, verklang, drängte Amra zum Ausgang. Ohne Rücksicht kämpfte sie sich durch die Reihen der Frauen und Ritter und stellte dann erstaunt fest, dass die Dienstboten ihr verständnisvoll Platz machten, als sie vor der Kirche ankam, wo das Volk sich drängte. So gelangte sie tatsächlich in die erste Reihe der Schaulustigen, als die Richter, der Fürst und seine Ritter nun feierlich zum Palas hinüberschritten. Magnus folgte mit schleppendem Gang, gestützt von seinen Wächtern. Ohne Hilfe hätte er kaum die wenigen Schritte bis zum Rittersaal geschafft, die Stufen hinauf waren eine besondere Herausforderung. Amra wusste nun, was Rudolf gemeint hatte. Magnus konnte in diesem Zustand kein Schwert führen. Das Gottesurteil bedeutete einen weniger schändlichen Tod als der Galgen, aber sterben würde er auf jeden Fall.
Amra warf sich den Männern in den Weg, als sie ihn vorbeiführten. »Magnus! Ich bin hier, Magnus!«
Er hob die Augen, und Amras Herz machte einen Sprung. Sein Blick war ruhig, sanft und klug, sie verlor sich gleich darin. Kein Flackern des Irrsinns war zu sehen, der Kerker hatte ihn nicht gebrochen.
»Amra …«
Magnus flüsterte ihren Namen, bevor die Männer ihn weiterzerren konnten. Aber dazu hätten sie auch erst einmal an Amra vorbeigemusst. Zumindest einer von ihnen, sicher Plamen, schien Hemmungen zu haben, sie einfach beiseitezuschieben.
»Ich werde morgen kämpfen. Ich habe dein Zeichen jedoch nicht mehr«, stieß Magnus mit letzter Kraft aus.
Amra zwang sich zu lächeln. »Wenn du gesiegt hast, werde ich dich küssen«, sagte sie sanft. »Und hier …«
Sie zog ein Band aus ihrem Kleid, drückte einen Kuss darauf und gab es ihm. Dabei streifte sie seine Hand. Sie war so kalt … Amra konnte sich kaum bezähmen, sie zwischen ihre eigenen Hände zu nehmen und zu wärmen.
»Kommt jetzt!« Der zweite der Wächter begann, die Geduld zu verlieren. »Die Richter sind längst im Palas, Ihr tut Euch keinen Gefallen damit, sie warten zu lassen. Macht den Weg frei, Herrin! Hier könnt Ihr
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