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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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wurde. Sie liebten sich zwischen den reifen Ähren, während Edita ruhig neben ihnen schlief.
    Als die Ernte eingebracht war und das Dorf sich für das Erntefest rüstete, blieb Amras Blutfluss erneut aus. Edita würde übers Jahr einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen.
    »Und, bist du zufrieden mit deinen Erträgen?«, fragte Zwonimir Magnus, als der Priester den Erntesegen gesprochen hatte und die Musikanten ihre Instrumente stimmten, um zum Fest aufzuspielen. Der große, bärtige Mann setzte gewaltige Krüge Bier vor Magnus und Amra auf einen der Holztische, die man im Freien aufgestellt hatte, um gemeinsam zu feiern. Edita patschte nach dem Schaum auf dem Getränk.
    »Sehr zufrieden!«, erklärte Magnus und nahm den ersten Schluck. »Allerdings geht ja noch der Zehnte für den Fürsten davon ab – das schmälert den Verdienst doch beträchtlich. Ich würd gern noch ein Gewann Wald roden, wenn der Graf mich lässt. Meinst du, ich sollte in der Burg mal nachfragen?«
    Zwonimir zuckte die Schultern. »Das hat der Graf nicht zu bestimmen. Der hält zwar die Burg, aber zu sagen hat er nichts. Der Lehnsherr von Rujana ist der Fürst.«
    Die Burg am Schwarzen See wurde von einem Verwandten Jaromars bewirtschaftet – die Bauern leisteten ihm Frondienste, aber nur an wenigen Tagen des Jahres. Zur Burg gehörten weniger Felder als zu Magnus’ Hof. Sie war für die Verteidigung der Insel unwichtig, man hatte sie wohl irgendwann als Fluchtburg für die Bevölkerung gebaut oder vielleicht auch zum Schutz des Heiligtums der Göttin Mokuscha. Jetzt jedoch brauchte man die Festung eigentlich gar nicht mehr. Lediglich einmal im Jahr gewann sie an Glanz, wenn Fürst Jaromar dort Hof hielt, um die Abgaben der Bauern und Fischer aus Jasmund entgegenzunehmen. Die Bürger konnten dann auch Klagen oder Bittgesuche anbringen, und der Fürst hielt Gericht, sofern das nötig war.
    »Nun, der kommt ja bald«, meinte Magnus jetzt auch, Jaromar wurde kurz nach dem Erntefest erwartet. »Du bist Dorfvorsteher. Was meinst du, könntest du die Bitte für mich vortragen? Oder gleich für die ganze Siedlung? Wir sollten zwei oder drei Gewanne roden und die Felder allgemein vergrößern.«
    Zwonimir schürzte die Lippen. »Darüber wollt ich eigentlich mit dir reden«, begann er vorsichtig. »Also nicht nur ich allein, sondern wir alle. Ich red sozusagen im Namen von uns allen.«
    Magnus runzelte die Stirn. »Über die Rodung von ein bisschen Wald?«
    Zwonimir schüttelte den Kopf. »Nein. Über das Amt des Dorfvorstehers. Wir haben uns überlegt … also, wir wollten dich fragen, ob du es nicht in diesem Jahr übernehmen möchtest.«
    Magnus hob verwundert die Brauen. Mit diesem Angebot hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Aber ich wohne noch nicht mal ein ganzes Jahr hier«, wandte er ein. »Und ich bin Däne. Ich spreche nicht mal gut genug Ranisch.«
    Zwonimir tat seine Worte mit einer Handbewegung ab. »Du hast ganz gut gelernt«, meinte er dann. »Und du bist längst Rujaner wie alle hier. Hast doch die Amra geheiratet! Aber sonst hast du uns manches voraus. Du kannst lesen und schreiben. Ja, gib’s nur zu, die Jovica hat gesehen, wie du in einem Buch gelesen hast, und Amra liest den Frauen beim Weben vor, die kann’s auch.«
    »Aber was hat denn der Dorfvorsteher zu lesen?«, erkundigte sich Magnus, einem Bauern nützten diese Kenntnisse schließlich gar nichts.
    »Nichts, und darum geht’s auch nicht«, gab Zwonimir zu, bevor er weitersprach. »Es geht eher um … Na ja, du und Amra, ihr versteht euch auch aufs schöne Reden. Und aufs Beten.«
    »Aufs Beten?« Amra lachte und trocknete Editas Händchen mit ihrer Schürze. Die Kleine fand den Bierschaum unwiderstehlich. »Also, das Beten ist nun wirklich nicht meine Stärke!«
    »Verspotte mich nicht, es ist sehr wichtig, richtig zu beten«, brummte Zwonimir. »Mich hätten sie letztes Jahr fast ausgepeitscht, weil ich’s nicht so gut kann.«
    Fürst Jaromar, so berichtete der Dorfvorsteher, war sehr gläubig und verlangte das auch von seinen Untertanen. Vor der Ratsversammlung und dem Gericht, an dem der Dorfvorsteher an seiner Seite teilnahm, feierte der Fürst jedes Mal eine Messe, und er brachte seine eigenen Priester dazu mit. Die hielten sich streng an die Liturgie. Der Fürst war äußerst erbost, als er feststellen musste, dass Zwonimir weder die Gebete noch die richtigen Abläufe kannte, falsch sang und sich genauso verkehrt herum bekreuzigte wie seine

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