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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Meer spiegelte.
    Amra trug nur ihr Unterkleid, darüber hatte sie einen wollenen, weiten Schal geworfen, um sich in der Nachtkälte warmzuhalten. Sie war wunderschön – aber es ging natürlich nicht, dass sie nachts hier herumstrich. Wenn die Matrosen sie sahen – nicht auszudenken, was ihnen einfiel …
    Magnus sprang auf. »Amra, was soll denn das?«
    Seine Stimme klang viel zu laut in der Stille der Nacht. Amra erschrak derart, dass sie strauchelte und fast über die niedrige Reling gefallen wäre. Der junge Ritter lief zu ihr und umfasste sie.
    »Magnus!« Amra erholte sich von ihrem Schrecken, machte aber keine Anstalten, sich aus seinen Armen zu befreien. »Du hast mich zu Tode erschreckt! Was tust du hier?«
    Ein schlechtes Gewissen schien sie nicht zu haben.
    »Die Frage ist doch eher, was du hier machst, ›Frau Amra‹.« Magnus bemühte sich um einen strengen Ton. »Da setzen wir alle Hebel in Bewegung, um eine abgeschlossene Kabine für dich zu bekommen, und dann treibst du dich nachts an Deck herum. Dieses Schiff ist voller Männer! Und viele von ihnen haben wochenlang keine Frau gesehen!«
    Amras helles Lachen erfüllte ihn mit Entzücken. »Ach, Unsinn, Magnus, als ob’s in Ralswiek keine Hafenhuren gäbe! Und ein paar andere Mädchen sind auch recht freizügig, gerade jetzt, wo sich alle freuen, dass es Frieden gibt zwischen Dänemark und Rujana.«
    Alle nicht, dachte Magnus, aber für die Frauen auf der Insel schien das wohl zuzutreffen. Sie mussten bei jedem Raubzug und jeder Kaperfahrt um ihre Männer gefürchtet haben.
    »Auf jeden Fall schickt es sich nicht für eine Edelfrau, nachts auf dem Deck herumzulaufen. Was wolltest du überhaupt hier?« Er hoffte im Stillen, dass sie ihn gesucht hatte, aber sie hatte nicht wissen können, dass er draußen schlief.
    »Ich wollte die Sterne sehen«, erklärte Amra. »Und das Meer. Ich war dem Meer noch nie so nahe, weißt du. Ja, ich weiß, das klingt verrückt, ich habe ja direkt an der Küste gewohnt. Aber ich bin nie hinausgefahren. Die Männer fuhren die Boote, die Frauen warteten an Land auf den Fang. Aber hier … mir wird fast schwindlig, wenn ich in die Wellen schaue.«
    Sie löste sich aus Magnus’ Armen und wandte sich wieder dem Meer zu. Die Wellen waren nicht hoch, aber die See war bewegt genug, um die Sterne nicht einfach zu spiegeln, sondern mit ihrem Licht zu spielen. Es sah aus, als befänden sich Himmel und Erde, Mond, Sterne und Wellen in einem geheimnisvollen Tanz. Amra begann, sich mit ihnen zu wiegen. Magnus legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Du bringst mich ganz durcheinander«, flüsterte er.
    Amra lächelte. »Besser durcheinander als verrückt«, bemerkte sie dann. »Herr Baruch hat mir mehrmals vorgeworfen, dass du mich verrückt machst.«
    Magnus sah sie ungläubig an. »Dann spürst du es auch?«, fragte er. »Ich hab dieses … dieses Gefühl, als müsste ich dich immer nur ansehen, als wärst du das, was mein Leben vollkommen macht, was mir gefehlt hat, jahrelang, seit wir …«
    »… seit wir uns zum ersten Mal gesehen haben«, flüsterte Amra. »Die Sarazeninnen sagen, das sei gefährlich.«
    Magnus blickte irritiert. »Welche Sarazeninnen? Aber woher du das auch immer hast, was kümmert es uns, was ein paar Heiden darüber denken, was wir fühlen? Obwohl …«
    Er brach ab. Auch er wusste, dass es gefährlich und verboten war, Amra zu lieben. Aber es hinderte ihn nicht, sie erneut in die Arme zu nehmen. Und diesmal fanden sich auch ihre Lippen. Magnus küsste sie sanft und vorsichtig – und sie erwiderte den Kuss wild und fordernd. Er atmete den Wohlgeruch ihres Haars – schon damals hatte es nach Rosen geduftet –, und sie schmiegte sich an ihn und genoss das Gefühl, seinen festen Körper zu spüren, den Geruch nach Leder und Pferd und nach seiner Haut.
    Eine kleine Ewigkeit küssten und streichelten sie einander, bis ein Pfiff aus den Segeln sie auseinanderstieben ließ. Ein junger Matrose kletterte eben vom Ausguck herab.
    »Lasst euch nicht stören, Wachablösung!«, rief er ihnen lachend zu. »Wenn ihr’s allerdings geheim halten wollt – ich kann schweigen, aber Lars ist ein Schandmaul.«
    Er wies auf die Stiege zum Unterdeck, von der aus man jetzt Schritte hörte. Die Ablösung tastete sich die Treppe hinauf, und der junge Mann galt wohl als wenig diskret.
    Magnus zog Amra hinter die Deckaufbauten. Eng aneinandergeschmiegt warteten sie, bis die Seeleute einige Worte gewechselt hatten, woraufhin der

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