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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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eine in seine Unterkunft ging, während der andere in die Rahen kletterte, um den Ausguck einzunehmen. Magnus schob Amra zur Treppe.
    »Du musst jetzt sowieso gehen … und ich kann nur hoffen, dass der Kerl wirklich den Mund hält. Nicht auszudenken, wenn morgen das halbe Heer über uns spräche.«
    Dennoch tauschten die beiden noch einen raschen Kuss, bevor Amra gehorsam im Bauch des Schiffes verschwand und die Kabine aufsuchte, die sie mit Mariana teilte. Die hatte zum Glück einen festen Schlaf, Amra dagegen war zu aufgeregt, um zu schlafen. All ihre Träume waren wahr geworden! Magnus liebte sie! Vor ihr lag eine wunderschöne Zukunft. Lediglich ein Wermutstropfen mischte sich in ihr Glück. Warum sollte niemand wissen, dass sie einander gefunden hatten? Magnus war frei, und sie war es auch. Gut, er hatte sich noch kein Lehen erworben, aber Amra stellte sich vor, dass dies nur eine Frage der Zeit war. Und sie wollte gern auf ihn warten. Warum also diese Heimlichkeiten?
    Amra jedenfalls betrachtete sich von dieser Nacht an als verlobt.
    Magnus schien das anders zu sehen. Obwohl Amra das Leuchten in seinen Augen, das sie auf dem nächtlichen Deck gewärmt hatte, stets wiedererkannte, wenn sie ihm begegnete, wiederholten sich die Zärtlichkeiten nicht. Magnus verhielt sich Amra gegenüber freundlich neutral und beantwortete geduldig sowohl ihre als auch Marianas Fragen zu Braunschweig, Heinrich dem Löwen und der vor ihnen liegenden Reise. Amra hatte die Residenz des Herzogs nahe Lübeck vermutet und war verwundert, als sie hörte, dass noch über hundertfünfzig Meilen zwischen der Hafenstadt und ihrem Ziel lagen.
    »Wie kommen wir denn da hin?«, fragte sie unsicher und schwankte zwischen Sorge und Vorfreude, als Magnus ihr eröffnete, sie würde reiten müssen.
    Bisher hatte Amra nur wenige Male und meistens heimlich auf Baruchs braver Stute gesessen. Rittlings natürlich, nicht im eleganten Seitsitz wie die edlen Damen.
    »Und wieso … wieso schickte der Herzog dann Truppen nach Rujana?«, fragte sie schließlich weiter. »Wenn das so weit weg ist … König Tetzlavs Männer haben ihn sicher nie angegriffen. Was hat er also gegen Rujana?«
    Magnus lachte und versuchte dann, ihr die Gebietsansprüche des Sachsenherzogs, seine Beziehung zum Dänenkönig und deren gemeinsame Slawenfeldzüge zu erklären.
    »Es geht darum, den Heiden das Christentum zu bringen!«, erklärte er heroisch.
    Mariana verzog das Gesicht. »Es geht um Land und um Reichtum und um Macht«, korrigierte sie dann, »ob es sich um Herzöge, Könige oder Bischöfe handelt. Es geht immer um Macht, ganz gleich, was die hohen Herren sagen.«
    Magnus hätte das gern geleugnet. Er wollte an Heinrichs hehre Ziele bei der Christianisierung der Slawen glauben, aber wenn er ehrlich sein sollte, musste er der Edelfrau Recht geben. Und sich mit dem Gedanken beschäftigen, dass auch Amra eben dabei war, zum Spielball dieser Mächte zu werden. Magnus bezweifelte, dass sich Heinrich mit ein paar Geschenken und einer schönen Frau zufriedengeben würde. Womöglich schickte er Amra zurück. Womöglich ließ er sie sogar für Waldemars Betrug bezahlen! Letzteres glaubte Magnus allerdings nicht wirklich. Er kannte Heinrich nicht als sinnlos gewalttätig. Doch impulsiv und leicht erregbar war der Herzog schon – und er pochte auf seine Ansprüche.
    Magnus bereute längst, seinen Gefühlen in der ersten Nacht auf See nachgegeben zu haben. Amra gehörte dem Herzog, dem Löwen … Magnus durfte ihr keine Hoffnungen machen. Und auf keinen Fall durfte er mehr von ihr nehmen als ein paar Küsse. Es wäre fatal, wenn er bei Heinrich in Ungnade fiele – und noch schlimmer, wenn der Zorn des Löwen Amra träfe!

Kapitel 2

    A mra hatte Ralswiek bis zu diesem Zeitpunkt stets für eine große Stadt gehalten, aber als sie nun Lübeck erreichte, wurde ihr klar, wie klein die Welt war, in der sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte. Schon der Hafen war weitaus größer als jeder Anlegeplatz in Rujana, man fuhr in eine Bucht ein, statt an weit ins Meer hinaus gebauten Anlegern festzumachen. Rund um das Hafenbecken erstreckten sich Speichergebäude und die Schreibstuben der Kaufmannschaft. Die Häuser standen so nah beieinander, dass sie sich gegenseitig zu stützen schienen – das war vielleicht auch nötig, schienen sie Amra doch turmhoch zu sein. Die Straßen waren gepflastert – Amra stolperte gleich, als sie das Schiff verließ. Nach ein paar Tagen auf See hatte sie

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