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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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Essen in der Mensa, und schließlich bestellte er eine Zwiebelsuppe und einen Salat.
Ich hatte bis dahin kaum etwas gesagt und für mich gegrilltes Gemüse und eine Tortilla bestellt.
Dann wechselte er das Thema und fragte nach den Kindern, von denen er annahm, sie müssten schon sehr groß sein. Zum Beweis zeigte ich ihm Fotos von Iago und Rachel.
Er suchte seine Brille, betrachtete in aller Ruhe die Fotos und meinte nur: »Pass nur auf, wenn dein Iago seine Desdemona findet.«
Die Zwiebelsuppe brachte ihn schon wieder auf ein neues Thema. Wie eine Hommage an die Sitten und Gebräuche in der ganzen Welt ließ er eine seiner typischen einleitenden Fragen los: »Du kannst mir bestimmt nicht sagen, in welchem Land in Europa die meisten Suppen gegessen werden?«
Natürlich wusste ich das nicht. Wer weiß das denn schon? Bist du in der Zeit, in der ihr verheiratet gewesen seid, jemals in der Lage gewesen, eine einzige seiner Fragen zu beantworten?
»Polen!«, tat er dann selbst triumphierend kund. »Dort essen die Leute zweimal am Tag Suppe. Sechzehn Prozent der Gerichte, die die Polen zu sich nehmen, sind Suppen. Andere Frage: Wetten, dass du nicht weißt, wie der berühmteste schwedische Auflauf heißt?« Dann legte er eine theatralische Pause ein, die er mit seinem schelmischen Grinsen würzte. Um dann die Auflösung zu bringen: »Janssons Versuchung! Das ist doch ein spannender Name, oder? Nicht nur für ein Gericht, sondern auch für eine Kneipe oder eine Verwechslungskomödie … oder eher für ein expressionistisches Drama? Meine Güte, darüber sollte man einmal nachdenken. Also, für das Rezept braucht man Kartoffeln, gedünstete Zwiebeln und schwedische Anchovis. Die ganze Mischung wird dann im Ofen gebacken und ist sehr kräftigend.«
Aber ich habe nicht klein beigegeben. Ich erinnerte ihn daran, dass wir über den Vorfall sprechen müssen. Über die Mumie.
Er hat dann lange geseufzt, um mir zu verstehen zu geben, dass er lieber über die europäische Küche als über Mumien spricht.
Ich habe ihn gefragt, ob er vor meinem Anruf jemals etwas von dieser Besenkammer gehört hatte.
Er schüttelte nur wortlos den Kopf.
»Du warst damals etwa drei Jahre alt«, sagte ich noch. »Es wäre merkwürdig, aber es könnte doch sein, dass du noch irgendeine Erinnerung daran hast.«
»Ich glaube, ich habe die ganze Zeit mit Concha verbracht. Meine Eltern haben ihr Amt lieber nicht ausgeübt«, sagte er darauf.
Ich wagte es weiterzufragen: »Papa, könntest du mir bitte erzählen, welches für dich deine älteste Erinnerung ist? Könntest du ein wenig in dein Gedächtnis abtauchen?«
Er seufzte noch einmal.
»Mädchen, ich habe wirklich keine Ahnung. So chaotisch, wie ich bin, habe ich es bestimmt schon vor langer Zeit verloren. Mein Gedächtnis ist wie eine Rumpelkammer.« Er kicherte, aber es klang recht gekünstelt. »Alles, was nicht aufgeräumt ist, landet dort.«
»Es wäre nützlich, wenn du dich an irgendetwas erinnern könntest.«
»Für wen wäre das nützlich?«
Aus seinem Verhalten konnte ich schließen, dass er sich für die ganze Sache nicht im Geringsten interessierte. Er schob den Suppenteller zur Seite und verschränkte seine Arme. Dann sah er mich an, als würde er sich unbekümmert fragen: »Und was ist nun an der Reihe?«
Doch ich ließ nicht locker.
»Die Polizei fragt, ob du Fotos hast.«
»Fotos von wem? Von Teresa? Soweit ich weiß, gibt es nur ein bekanntes Foto. Es ist einmal in einer Monographie über deinen Großvater veröffentlicht worden, in der Sammlung Gent Nostra . Kannst du dich daran erinnern? Das war eine Reihe mit kleinen Bänden über verschiedene Persönlichkeiten der katalanischen Kultur und Politik. Einer der Bände war Amadeo Lax gewidmet. Du hast ihn bestimmt schon einmal in Händen gehabt. Aber warte, es gibt da noch dieses andere Foto« – bei den Worten kniff er die Augen zusammen –, »das Foto, auf dem ich auch drauf bin. Ich dachte, ich hätte dir das vor Jahren mal geschickt, oder?«
Da blitzte etwas in meinem Gedächtnis auf. Ich konnte mich nicht nur daran erinnern, einmal auf dem Markt von Sant Antoni ein Exemplar dieser Monographie gekauft zu haben, sondern auch, wo ich es aufbewahrte.
»Aber wofür benötigen die denn ein Foto von Teresa?«, fragte Papa.
»Sie sagen, es wäre ihnen für ihre Untersuchungen nützlich.«
»Untersuchungen?« Er schnaufte ungläubig vor sich hin. »Spielen die jetzt wirklich, nach so vielen Jahren, Räuber und Gendarm? Haben die denn

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