Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
Eyemouth? Davon wußte ich ja gar nichts.«
»Ein ziemlich gutes Museum sogar«, bestätigte David. »Natürlich kein großes, es muß sich die Räume mit der Touristeninformation teilen, aber die Ausstellungsstücke sind hübsch präsentiert und vermitteln einen guten Eindruck davon, wie so ein Fischerdorf früher war.«
Jeannie nickte. »Ich kann dich durchführen, wenn du möchtest. Ich arbeite donnerstags dort, an der Kasse.« Sie warf David einen neckenden Blick zu. »Aber am besten machen wir die Führung an einem Tag, an dem deine Mutter nicht da ist, sonst kommen wir nicht mehr los.«
»Stimmt.« Sein Grinsen ließ ein kleines Grübchen in einer seiner glattrasierten Wangen entstehen, und als er sich über den Tisch beugte, um nach einem weiteren Stückchen Gebäck zu angeln, fiel mir auf, daß er in Jeannies Gegenwart viel entspannter war, als wenn wir beide allein waren. Er hatte diese leicht steife und reservierte Art, an die ich mich schon beinahe gewöhnt hatte, völlig abgelegt, und seine Augen blitzten vergnügt. »Meine Mutter«, informierte er mich, »kann eine ziemliche Quasselstrippe sein.«
»Sie redet halt gern«, ergänzte Jeannie.
Ich lächelte. »Tun das nicht alle Mütter?« Meine bestimmt. Mein Vater hatte sich aus Selbstschutz angewöhnt, seinen eigenen Gedanken und Tagträumen nachzuhängen, während meine Mutter redete, und nur gelegentlich »ja, ja natürlich« oder »ganz recht, meine Liebe« zu murmeln, um ihre Monologe nicht zu unterbrechen. Als ich ihn einmal fragte, ob ihn ihr Redefluß nicht störe, sagte er nein, er möge den Klang ihrer Stimme. Er verliere nur manchmal das Interesse an dem, was sie gerade erzählte.
»Meine Mam war sehr ruhig«, warf Jeannie ein. »Still wie eine Maus. Kein Wunder, bei meinem Vater ist es wirklich schwierig, auch mal zu Wort zu kommen.«
»Laß uns tauschen«, bot David an.
»Och, das meinst du doch nicht ernst. Deine Mam ist eine prima Frau.« Dann fragte sie neugierig: »Macht sie immer noch Schwierigkeiten wegen einer Haushaltshilfe?«
»Schwierigkeiten«, sagte er, »ist eine glatte Untertreibung.«
»Sie wird schon noch nachgeben«, behauptete Jeannie optimistisch. »Und wenn du Schwierigkeiten möchtest, Davy, kannst du jederzeit meinen Dad haben. Ist schon komisch im Leben, nicht wahr? Wenn man sich nicht um seine Kinder kümmern muß, muß man sich um seine Eltern kümmern.«
»Also, meine Mam reicht mir vollauf, vielen Dank.« Grinsend strich er sich die Krümel vom Hemd und richtete seinen Blick auf mich. »Was machen die Kopfschmerzen?«
»Alles bestens.« Mir schoß die Idee durch den Kopf, daß ich mir diese Antwort demnächst auf ein T-Shirt drucken lassen könnte.
»Da wird Peter froh sein«, sagte er. »Er hat mich extra geschickt, damit ich nachsehe, wie es Ihnen geht. Dachte, er hätte Sie vielleicht überanstrengt an Ihrem ersten Tag.«
Ich versicherte ihm, daß ich nicht so leicht zu überanstrengen war. »Ich komme aus einer robusten Sippe.«
»Oh, wirklich?« Die blauen Augen blickten nicht sehr überzeugt. »Ich dachte, Sie kommen aus London.«
»Sehr komisch.«
Jeannie lächelte. »Aus welchem Teil von London?«
»Aus dem Westen. Chiswick. Aber ich lebe jetzt in Covent Garden, wo ich meine eigene Wohnung habe. Die erste Grey seit zwei Generationen, die aus Chiswick fortgezogen ist«, erzählte ich stolz. »Meine Eltern fanden es furchtbar mutig von mir, so weit wegzugehen. Als ob es das tiefste Afrika wäre.«
David hob die Augenbrauen. »Und was sagen sie dazu, daß Sie nach Schottland gegangen sind?«
»Ach, nach Covent Garden schockiert sie nichts mehr. Und sie konnten sich ja schon an meine Herumreiserei gewöhnen, als ich für das Britische Museum gearbeitet habe.«
»Ja, ich weiß, wie das ist.« Jeannie nickte mit todernster Miene. »Das Museum von Eyemouth schickt mich auch dauernd an die exotischsten Orte.«
Ich grinste. »Ist dein Museum in einem alten oder in einem neuen Gebäude untergebracht?«
»Es ist in der Auld Kirk, der alten Kirche«, antwortete sie. »Unten am Hafen. Aber das Museum selbst ist ganz neu – es wurde zum hundertsten Jahrestag des großen Unglücks eröffnet.«
»Welches Unglück?« fragte ich und sah, wie die beiden beredte Blicke wechselten.
»Vielleicht«, riet David Jeannie, »ist es doch besser, sie mitzunehmen, wenn meine Mutter da ist. Sie erzählt die Geschichte besser als jeder andere.«
Jeannie stimmte ihm zu. »Du wirst noch ein wenig warten müssen,
Weitere Kostenlose Bücher