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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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gute Kantor hat ihm jedes Mal eine angerauchte Zigarre gegeben, und wenn dann gar der weibliche Kirchenchor oben auf der Empore stand, haben ihm die jungen Mädels, er kannte sie alle mit Namen, manchmal zur Weihnachtszeit Zimtsterne und Zigarettenbilder zugesteckt. Die Bilder waren zu Hause noch unversehrt, und er hat sie in Vaters Album eingeklebt, worüber der Alte sich wie ein Kind freuen konnte, aber die Lebkuchen klebten in der Hosentasche, waren zu einem gelbbraunen Brei geworden, er hatte vergessen, sie gleich zu essen. Oh ja. Das war der Anfang. Später hat ihm der alte Strauch das Orgelspiel, das Notenlesen und die Musiklehre beigebracht. May seufzt, er reißt sich aus diesen Gedanken, besinnt sich, kippelt auf seinem Stuhl mit einem Ruck nach vorn. Nein, Schluss, er muss jetzt sein musiktheoretisches Wissen aufpolieren. Hastig schlägt er den „Pierer“ auf, liest, studiert, macht sich Notizen …
    Am nächsten Tag, nach dem Arbeitspensum, trifft sich das Bläserkorps im ehemaligen kleinen Waffensaal, der, früher zu Zeiten des Kurfürsten Christian I. prächtig geschmückt mit Waffen, Rüstungen und bunten Standarten, jetzt ein kahler Anstaltsraum ist, vollgestellt mit Bankreihen und Tischen. Er dient als Universalgelegenheit zu Versammlungen der Anstaltsbeamten, als Schulungsraum und für interne Appelle, wenn größere Inspektionen angekündigt sind. Angeblich soll er eine gute Akustik haben. Deshalb üben hier abwechselnd das Bläserkorps und der Anstaltschor, der nur aus Beamten besteht, die Kirchensänger des Katecheten versammeln sich in der Kapelle.
    Als May eintritt, sind schon ein paar Korpsmitglieder, alle noch in ihrer Anstaltskluft, anwesend. Einige üben auf ihren Instrumenten oder putzen daran herum, andere stehen gedämpft quatschend am Fenster, die Zigarette vorsichtig in der hohlen Hand, wieder andere lümmeln in den Bänken und spielen Karten. Der Korpschef Göhler ist noch nicht da, bis zum Beginn der Probe fehlt noch eine knappe Viertelstunde. May sieht seinen neuen Freund Dittrich mit der Tuba beschäftigt. Er ölt die Ventile, nimmt einen alten Lappen aus der Tasche, spuckt hinein und fängt an, die Tuba blitzblank zu wienern. Vor lauter Eifer hat er den eingetretenen May gar nicht bemerkt. Der kommt heran.
    Tach, Max! So ne Tuba is een tolles Ding, was?
    Oh ja, das is se – Tach Karl! Schön, dass du schon da bist, da können wir gleich noch was bereden. Setz dich her!
    Was bereden? Was denn, Maxe? May lächelt ungläubig, bleibt aber stehen.
    Dittrich stellt die Tuba zwischen seine Füße und stopft den Lappen in den Schallbecher. Er sieht Mays Blick und lacht: Wenn ich den Lappen hier in de Stürze rinstecke, denn können die Töne nich wieder raus und bleiben schön warm, ha, ha!
    Was willste nu, Maxe? fragt May und lacht nicht.
    Mal mit dir reden, Karl. Bis zur Probe ham’ mer noch massig Zeit. Der Göhler kommt immer erst kurz vor knapp, weil der weiß, wir brauchen die Zeit, um unseren halbprivaten Kram in aller Ruhe zu bequasseln. Ist wie ne Insel hier im Waffensaal. Der olle Göhler is nämlich Mensch, der weiß sowas, der weiß, was er uns gönnen kann, der kennt unsere Bedürfnisse.
    May setzt sich zu Dittrich auf die Bank. Er schielt zu einem langen Tisch, wo die Instrumente in ihren Kästen liegen, die noch keinen Herren haben, wie sein Althorn zum Beispiel. Er druckst. Aber Maxe, ich müsste mal das Horn dort, das Althorn …
    Ja, Karl, kannste immer noch … Sag dem Göhler einfach, du hättest dich nicht getraut, es ohne seine Erlaubnis aus dem Kasten zu nehmen. Hör zu, was ich dir itzte sage … oder willste nich mit mir reden? Es ist zu deinem Besten, gloob mer ner …
    In Ordnung, Maxe, los erzähl schon.
    Also gut. Du weeßt, ich komm im nächsten Monat off Bewährung naus. Da hab ich mir überlegt, was Neues anzufangen, wo ich selbstständig bin und nicht mehr in Versuchung komme (Dittrich hüstelt verlegen) und wo ich meine Fähigkeiten besser anwenden kann …
    Fähigkeiten? Was kannste denn
Besonneres
?
    Dittrich antwortet, und es klingt selbstbewusst, was er sagt: Er könne sich ganz gut schriftlich ausdrücken, habe hier schon manchem Mitgefangenen Gesuche und Anträge, auch Briefe aufgesetzt. Sogar kleine Traktate und Aufsätze habe er geschrieben, Aufsätze, welche besonders Militärisches betreffen. Wenn er draußen sei, Dittrich richtet sich auf, dann werde er ganz bestimmt etwas Militärhistorisches verfassen …
    May staunt. Wie wenig man doch die

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