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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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alles in den Geschirrspüler. Bis auf die Champagnergläser, die müssen mit der Hand gespült werden.«
    Kaum war der letzte Bissen des Nachtischs verspeist, da zog Alexandre seine Cousine Zoé auch schon in sein Zimmer, während Hortense am Tisch sitzen blieb. Hortense blieb immer bei den Erwachsenen. Sie machte sich ganz klein, sodass man ihre Anwesenheit ganz vergaß, sie, die noch eine Minute zuvor so amüsant und keck gewesen war, verschmolz geradezu mit ihrer Umgebung und lauschte. Sie beobachtete, entschlüsselte einen unvollendeten Satz, einen Versprecher, einen empörten Ausruf, ein drückendes Schweigen.
    Dieses Mädchen schnüffelt im Dreck herum, um etwas aufzuspüren, was ihr nutzen könnte, schimpfte Carmen in Gedanken. Und niemand misstraut ihr! Ich sehe genau, was sie macht. Und sie weiß, dass ich sie durchschaut habe. Sie mag mich nicht, aber sie fürchtet mich. Heute Abend muss ich sie irgendwie beschäftigen, ich muss sie in den kleinen Salon locken, und da soll sie einen Film schauen.
    Da das Gespräch mehr und mehr ins Stocken geriet, wurde es Hortense ohnehin langweilig, und sie folgte Carmen ohne Widerspruch.
    Im großen Salon trank Joséphine ihren Kaffee und betete zum Himmel, dass sie nicht gleich mit Fragen bombardiert würde. Sie versuchte, Philippe in ein Gespräch zu verwickeln, aber dieser entschuldigte sich: Sein Handy klingelte, es sei wichtig, und wenn sie erlaube … Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, um den Anruf entgegenzunehmen.
    Chef las in einer Wirtschaftszeitung, die auf dem niedrigen Couchtisch lag. Madame und Iris unterhielten sich über die Auswahl neuer Vorhänge für eines der Schlafzimmer. Sie winkten Joséphine, sich zu ihnen zu setzen, aber Jo zog es vor, Marcel Grobz Gesellschaft zu leisten.
    »Na, wie steht’s, kleine Jo? Alles in Butter?«
    Chef redete immer so seltsam: Er verwendete Ausdrücke, die längst aus der Mode gekommen waren. Bei ihm fühlte man sich in die Sechziger-
und Siebzigerjahre zurückversetzt. Ich kenne niemanden außer ihm, der noch »ach du dickes Ei« oder »alles in Butter« sagt!
    »Könnte man so sagen, Chef.«
    Er zwinkerte ihr zu und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeitung. Doch als sie keine Anstalten machte, wieder zu gehen, erkannte er, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich mit ihr zu unterhalten.
    »Immer noch nichts Neues bei deinem Mann?«
    Sie schüttelte wortlos den Kopf.
    »Die Zeiten sind hart. Da muss man den Arsch zusammenkneifen und warten, dass es vorbeigeht …«
    »Er sucht ja … Jeden Morgen liest er die Stellenanzeigen.«
    »Wenn er nichts findet, kann er jederzeit bei mir vorbeikommen … Ich bring ihn schon irgendwo unter.«
    »Das ist lieb von dir, Chef, aber …«
    »Aber dann müsste er ein bisschen katzbuckeln. Und dein Mann ist stolz, was, Jo? Nur kommt man heutzutage mit Stolz nicht mehr weit. Heutzutage hat man zu kuschen. Man kuscht und sagt »Danke, Boss!« Sogar der dicke Marcel rackert sich ab, um neue Märkte zu erschließen und neue Ideen zu entwickeln, und er dankt jedes Mal dem Himmel, wenn er wieder einen Vertrag unterschrieben hat.«
    Beim Reden klopfte er sich auf den Bauch.
    »Sag das Antoine. Selbstachtung ist ein Luxus. Und diesen Luxus kann sich dein Mann nicht leisten! Weißt du, was mich rettet, meine kleine Jo? Dass ich weiß, was Armut ist. Ich bin damit aufgewachsen, und darum habe ich auch keine Angst, wieder dahin zurückzukehren. Ein senegalesisches Sprichwort sagt: ›Wenn du nicht weißt, wohin du gehst, bleib stehen und schau, woher du kommst.‹ Ich komme von ganz unten, also …«
    Joséphine musste sich zusammenreißen, um Marcel nicht zu gestehen, dass sie womöglich auch bald ganz unten sein würde.
    »Aber weißt du, Jo, wenn ich es mir recht überlege … Wenn ich überhaupt jemanden aus dieser Familie einstellen sollte, dann am ehesten noch dich. Du kannst bestimmt ordentlich zupacken … Aber bei deinem Mann bin ich mir nicht sicher, ob er sich wirklich die Finger schmutzig machen möchte. Versteh mich richtig…«
    Er lachte polternd.
    »Ich verlange nicht von ihm, im Lager die Gabelstapler zu putzen.«
    »Nein, ich weiß, Chef. Ich weiß …«
    Sie streichelte seinen Unterarm und betrachtete ihn voller Zuneigung. Verlegen hörte er auf zu lachen, räusperte sich und vertiefte sich erneut in seine Zeitung.
    Sie blieb noch einen Moment neben ihm sitzen und hoffte, dass er ihr Gespräch wiederaufnehmen und sie so vor den neugierigen

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