Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, in der sich schemenhaft die Umrisse abzeichneten. Es ist mir egal, dass er alt ist, dass er dick ist, dass er hässlich ist, er ist mein Mann, ihn will ich lieben, mit ihm will ich lachen, ihn will ich knuddeln, mit ihm will ich leiden, ich weiß alles über ihn, wenn ich die Augen schließe, kann ich ihn genau beschreiben, ich weiß, was er sagen will, bevor er den Mund aufmacht, ich kann seine Gedanken lesen, kann in
seinen kleinen, klugen Augen lesen, in seinem dicken Wanst … Diesen Mann könnte ich mit geschlossenen Augen bis ins letzte Detail beschreiben.
Sie schwiegen lange. Sie hatten alles gesagt, und das Wichtigste war: Sie hatten sich versöhnt. Doch plötzlich richtete sich Marcel abrupt auf. »Pass auf!«, flüsterte Josiane. »Vielleicht steht sie direkt hinter der Tür!«
»Und wenn schon! Steh auf, Choupette, steh auf… Das ist doch idiotisch, uns zu verstecken. Wir haben nichts Verbotenes getan.«
»Komm schon, setz dich wieder hin.«
»Nein, hoch mit dir! Ich muss dich was fragen. Und das ist zu wichtig, als dass du da unten hocken bleiben könntest.«
Josiane stand auf und klopfte sich den Staub vom Rock.
»Was denn, willst du mich fragen, ob ich dich heiraten will?«, fragte sie lachend.
»Besser, Choupette, besser!«
»Was sollte das sein? Ich bin achtunddreißig, Heiraten ist das Einzige, was ich noch vor mir hab! Mich hat noch nie jemand um meine Hand gebeten. Kannst du dir das vorstellen? Dabei hab ich immer davon geträumt … Vor dem Einschlafen hab ich gedacht, eines Tages kommt jemand und fragt mich, und ich sage Ja. Um den Ring am Finger zu tragen und nie wieder allein zu sein. Um zusammen an einem Tisch mit Wachstuchdecke zu Abend zu essen und dem anderen zu erzählen, wie der Tag war, um sich gegenseitig Nasentropfen zu geben, um auszulosen, wer das Ende vom halben Baguette bekommt …«
»Du hörst mir nicht zu, Choupette … Ich sagte ›besser‹.«
»Ich geb’s auf… Ich komm nicht drauf.«
»Sieh mich an, Choupette. Sieh mich an, los, in die Augen …«
Josiane sah ihn an. Er blickte so ernst drein wie der Papst, der am Ostertag den Gläubigen den Segen erteilt.
»Ich seh dich ja an … direkt in die Augen.«
»Was ich dir jetzt sage, ist wichtig … Sehr wichtig!«
»Ich höre …«
»Liebst du mich, Choupette?«
»Ich liebe dich, Marcel.«
»Wenn du mich liebst, wenn du mich wirklich liebst, dann beweise
es mir: Bekomm ein Kind von mir, einen Kleinen, dem ich meinen Namen geben kann. Einen kleinen Grobz …«
»Sag das noch mal, Marcel.«
Marcel wiederholte und wiederholte und wiederholte. Sie folgte ihm mit den Augen, als liefen seine Worte über einen Bildschirm. Als hätte sie Mühe, sie zu entziffern. Er fügte hinzu, dass er seit Ewigkeiten auf diesen Kleinen wartete, dass er schon alles von ihm vor sich sah, die Form seiner Ohren, die Farbe seiner Haare, die Größe seiner Hände, die Falten unter seinen Füßchen, den kleinen Hintern, seine süßen winzigen Fingernägel und das kleine Näschen, das er kraus zog, wenn er gestillt wurde.
Josiane hörte die Worte, ohne sie zu begreifen.
»Kann ich mich wieder setzen, Marcel? Meine Knie zittern wie Pudding …«
Ohne weitere Umstände ließ sie sich wieder auf den Hintern sacken. Marcel hockte sich neben sie und verzog schmerzlich das Gesicht, weil ihm die Knie dabei wehtaten.
»Was sagst du dazu, Choupette? Was meinst du?«
»Ein Baby. Ein Baby für uns beide?«
»Genau.«
»Und du würdest dieses Baby… anerkennen? Es würde alle Rechte haben? Es wäre kein kleiner Bastard, für den du dich schämst?«
»Er wird bei mir am Familientisch sitzen. Er wird meinen Namen tragen … Marcel Grobz junior.«
»Das versprichst du hoch und heilig?«
»Ich schwöre es bei meinen Eiern!«
Und er legte eine Hand auf seine Hoden.
»Siehst du … du machst dich doch über mich lustig.«
»Nein, im Gegenteil! So wie früher. Wenn man etwas wirklich ernst meinte, schwor man bei seinen Eiern. Testis , das heißt sowohl Hoden als auch Zeuge … das hat Jo mir erzählt.«
»Die Dürre?«
»Nein, die Pummelige. Die Nette. Es ist mehr als ernst, wenn man bei seinen Eiern schwört! Stell dir nur mal vor! Wenn ich meinen Schwur breche, zerfallen sie zu Staub. Und darauf leg ich’s nun wirklich nicht an, Choupette.«
Josiane begann glucksend zu lachen, dann brach sie in Tränen aus.
Es waren einfach zu viele Emotionen für einen Tag.
Finger mit
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