Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
heimlichen Verbündeten gebeten. Sie hatte bemerkt, dass mit Min-Tao etwas
nicht stimmte. Ihre Lebenserfahrung sagte ihr sehr deutlich, dass ihr junger
Schützling sich nicht an das Verbot gehalten hatte. Bestürzt musste sie erkennen,
dass hinter der vermeintlich jugendlichen Liebelei tatsächlich innige Liebe
steckte. Auch hatte sie in gewisser Weise ein schlechtes Gewissen, wusste sie
doch, wer hinter der schnellen Verlagerung des Heeres steckte.
„War das wirklich notwendig?“ Cheng-Si stemmte die
Arme in die Seiten und sah den Kanzler mit blitzenden Augen an.
Der lugte über den Rand seiner Teeschale in ihre
Richtung. „Was meint Ihr?“
„Der Kaiser ist doch nicht von selbst auf solch
eine Idee gekommen, das Heer auf halber Distanz zum Reich Xia anzusiedeln, wenn
noch nicht einmal das komplette Heer vereint und ein Angriff erst für die
nächsten Jahre geplant ist. Oder gibt es Anlass zur Sorge?“ Cheng-Si wusste
genau, dass es keinen Grund gab, mit einem Angriff durch das Nachbarreich zu
rechnen.
„Ihr schreibt mir aber einen hohen Einfluss auf
den Kaiser zu, ich fühle mich geehrt! Man könnte meinen, die Stimme der
Ehrwürdigen Hauptfrau spricht aus Euch!“ Wang Anshi reichte Cheng-Si eine
Schale Tee. „Aber Ihr habt Recht“, sprach er. „Es war ein guter Schachzug! So
haben wir die beiden vollkommen unauffällig getrennt! Die Gefahr ist gebannt!“
Er kicherte selbstgefällig in sich hinein.
Cheng-Si bemerkte es und ein leichter Zorn stieg
in ihr auf. „Die junge Frau ist am Boden zerstört! Ich mache mir wirklich
Sorgen!“
„Sie wird sich schon wieder beruhigen!“ Wang Anshi
schaute gleichgültig in seine Schale.
„Sechs Monate sind vergangen, seit der Mann
Dongjing verlassen hat! Wie viel Zeit muss noch vergehen, bis Ihr erkennt, dass
es für beide mehr war, als wir gedacht haben?“
Wang Anshi schaute die alte Frau scharf an. „Umso
mehr ein Grund, es zu verhindern. Vergesst nicht Eure Verantwortung! Ihr selbst
leitet das Haus der Frauen ! Ihr müsstet doch wissen, dass niemand das
Recht hat, eine Frau des Kaisers auch nur anzusehen, wenn es der Kaiser nicht
gestattet! Wir haben den beiden sogar einen Gefallen getan!“ Er schaute
Cheng-Si misstrauisch an. „Wieso hegt Ihr auf einmal solche Gefühle für das
Mädchen?“
Cheng-Si hatte plötzlich eine Eingebung. „Min-Tao
ist mittlerweile in einer Verfassung, in der ich nicht garantieren kann, dass
sie noch länger Herr ihrer Gefühle ist. Wenn herauskommt, was passiert ist,
dürfte es mit Eurem Bao sehr schnell zu Ende sein.“ Cheng-Si wusste, sie würde
nur über Wang Anshis Schützling zu ihrem Ziel kommen. Sie hatte keine
Hemmungen, diese List anzuwenden, zumal sie sich nicht sicher war, ob es nicht
sogar der Wahrheit entsprach. Ihr gingen langsam die Ausreden aus, mit der sie
Min-Tao vor den anderen Frauen schützte. Sie wusste sehr gut, wozu neugierige
Frauen imstande waren. Es gäbe einen Skandal am Hofe, wenn die Liebe zwischen
Bao und Min-Tao herauskäme. Und es gäbe mindestens drei Tote, unter denen sie
selbst mit Sicherheit zu finden wäre.
Man merkte Wang Anshi den Schrecken an bei der Erkenntnis,
sein junger Heerführer könne hingerichtet werden. Zähneknirschend suchte er
offenbar nach einer Lösung. „Man muss das Kind beschäftigen!“, murmelte er.
Dann blieb er abrupt stehen und wandte sich an Cheng-Si. „Ihr kennt sie am
Besten. Womit kann man ihr eine große Freude machen?“
Die Hausmutter dachte ein wenig nach. „Sie legt
sehr großen Wert auf ihre intakten Füße. Sie braucht Bewegung, Freiraum.“
Wang Anshi versank wieder in Gedanken.
Als er seine Augen leicht zusammen kniff und dabei
schmunzelte, wusste Cheng-Si, dass er eine seiner Meinung nach brillante Idee
hatte.
„Ich glaube, der Kaiser wird demnächst jemanden
brauchen, der seine persönlichen Pferde bewegt“, stellte er fest. „Er selbst
kommt ja wirklich nicht dazu.“
Cheng-Si lächelte ihren Verbündeten an. Es war ein
schönes und befriedigendes Gefühl, noch immer zu wissen, wie er funktionierte,
der gute alte Wang Anshi. Sie verbeugte sich. „Ich danke Euch für Eure Hilfe!“
***
„Der Kaiser verlangt nach dir!“ Cheng-Si betrat
meine Kammer.
„Oh, ist es wieder soweit?“ Meine Begeisterung hielt
sich in Grenzen
„Nun komm, mein Kind! Es wird schon nicht so
schlimm werden! Nimm dir ein Beispiel an Su-Ling.“
„Su-Ling liebt den Kaiser!“, winkte ich ab.
„Und du nicht?“ Cheng-Si wollte es
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