Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
näher zu sein, um flexibler reagieren
zu können.“
Bao war sich noch nicht sicher, was er mit den
Ausführungen des Kanzlers anfangen sollte. „Und was soll das bedeuten? Will er
etwa hierher kommen?“
„Nicht nur das. Er plant, seinen Wohnsitz nach Qin
zu verlegen.“
Dass Bao darüber überrascht war, wollte er sich
nicht anmerken lassen. Nüchtern stellte er die ihm offensichtlichste Frage: „Wo
will er wohnen? Etwa hier unter den Soldaten?“
Wang Anshi lachte. „Nein, natürlich nicht. Er hat
seinen Baumeister beauftragt, hier ein geeignetes Objekt zu finden, welches man
ausbauen könne. Ich habe ein paar Architekten mitgebracht, denen du bitte die
örtlichen Gegebenheiten zeigst, wenn es deine Zeit nicht allzu sehr in Anspruch
nimmt. Soweit ich weiß, gibt es in Qin eine alte Tempelanlage mit solidem
Grundstock. Für einen Neubau bleibt uns keine Zeit.“
„Will der Kaiser alleine übersiedeln, oder gedenkt
er, seinen kompletten Hofstaat mitzubringen?“ Bao gelang es, die Frage
beiläufig klingen zu lassen. In Wahrheit war sein erster Gedanke gewesen, ob
auch die Frauen – und somit Min-Tao – hier leben würden. Er spürte einen Druck
auf seinem Herzen. Tief aus der Versenkung kam ein Bild von der jungen Frau
empor, die er am See bei Mondschein geliebt hatte.
Wang Anshi beobachtete seinen Schützling und
musste ärgerlich feststellen, dass dieser offensichtlich in Gedanken bei dieser
jungen Frau war. Wie sehr hatte er gehofft, dass nur das Frauenzimmer so
sentimental war! „Soweit ich informiert bin, sollen die Frauen in Dongjing
verbleiben“, meinte er eine Spur zu scharf.
Bao schnaubte. „Dann kann Shenzong Xia gleich den
Krieg ansagen. Wie soll das auf den Nachbarn wirken, wenn erst mehr und mehr
Soldaten stationiert werden und schließlich der Kaiser alleine – ohne
gesellschaftliche Ereignisse – übersiedelt?“
Wang Anshi dachte ein wenig nach. Der Heerführer
hatte damit nicht Unrecht. Frauen um sich zu versammeln, wirkte weniger bedrohlich.
Vielleicht sollte er Shenzong davon überzeugen, wenigstens ein paar
mitzunehmen. „Das ist ein guter Diskussionspunkt. Ich werde ihn mit Unserem
Kaiser erörtern. Bis dahin bitte ich dich, den Architekten zu helfen, damit die
Baumaßnahmen bereits in wenigen Wochen beginnen können.“
Wang Anshi verabschiedete sich und zog sich
zurück.
Bao atmete tief durch. Vielleicht bestand ja doch
noch eine Möglichkeit, Min-Tao früher zu sehen als gedacht.
Schon am nächsten Tag traf er sich mit den Architekten.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur alten Tempelanlage, die im Zentrum
von Qin stand. Bao hatte ihr keine weitere Beachtung geschenkt, da sie für eine
Unterkunft von Soldaten nicht geeignet gewesen war.
Die alte Tempelanlage von Qin stellte sich nach ersten
Betrachtungen und Berechnungen als gute Basis für einen Ausbau im Sinne des
Kaisers heraus. Das Haupthaus stand noch solide da, obwohl es bereits mehrere
Jahrzehnte unbenutzt geblieben war. Es fasste drei Stockwerke; der Kaiser und
sein direktes Gefolge würden Platz genug darin finden.
Die Architekten notierten ihre Erkenntnisse und
stellten weitere Berechnungen an. Schon bald war klar, dass man am Haupthaus
selbst so gut wie nichts tun musste. Lediglich kleine Ausbesserungsarbeiten und
ein gründlicher Putz dafür wurden angesetzt. Schließlich schritt die Gruppe der
Architekten das Areal um die ehemalige Tempelanlage ab, und die Männer sahen
sich gründlich um. Sie betrachteten die einzelnen Himmelsrichtungen, hielten
eifrig Notizen auf ihren Schriftrollen fest und erstellten erste Skizzen.
Bao folgte ihnen interessiert. So wenig er von
Architektur verstand, so begriff er dennoch, dass sie gerade den optimalen
Standort der Nebengebäude berechneten.
„Wie lange werdet Ihr für die Baumaßnahmen benötigen?“,
fragte er den obersten Architekten. Vielleicht konnte er von dieser Information
absehen, wie viele Menschen hier in Zukunft leben sollten.
Der oberste Architekt ging auch prompt auf seine
Frage ein: „Nun, am Haupthaus müssen wir nicht allzu viel ändern. Wir werden
ein paar Nebengebäude neu errichten, damit wir eine ähnliche Wohnsituation wie
in Dongjing gewährleisten können.“
„Wo werdet Ihr die Frauen unterbringen?“ Bao
fragte einfach ins Blaue hinein und erhoffte sich eine aussagekräftige Antwort.
Der oberste Architekt sah den Heerführer etwas unsicher
von der Seite an. „Uns ist nicht bekannt, dass Frauen mitkommen,
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