Die Geliebte des Malers
den Schultern und zog die Füße auf den Stuhl. »Ich weiß, es ist noch zu früh für eine Antwort, aber Geduld war nie meine Stärke.«
»Du wirst es schaffen, Cassidy. Du hast etwas.« Während er sprach, begann er gedankenverloren die Saiten zu zupfen. Die Melodie, die er spielte, war eingängig und beruhigend. »Etwas, das die Charaktere, über die du schreibst, wichtig macht. Wenn dein Roman so gut ist wie dein Artikel damals, dann bist du auf dem Weg nach oben.«
Cassidy lächelte. Die Ernsthaftigkeit seines Kompliments rührte sie. »Sag, du ziehst nicht zufällig in Erwägung, dich als Lektor bei einem New Yorker Verlag zu bewerben, oder?«
»Du brauchst mich nicht, Cass.« Grinsend schüttelte er das rote Haar zurück. »Und außerdem bin ich ein aufstrebender Liedermacher und Star, der kurz vor dem Durchbruch steht.«
»Ja, das habe ich auch schon gehört.« Cassidy lehnte sich in den Stuhl zurück. Plötzlich dachte sie, dass Jeff Mullans das perfekte Modell für Colin wäre. Er würde den jungen Mann bestimmt malen wollen – das feuerrote Haar und der dichte Bart bildeten einen auffälligen Kontrast zu den sanften grauen Augen, die schönen Hände mit den langen Fingern glitten fast zärtlich über die Gitarrensaiten. In zerfransten Jeans saß er vor ihr auf ihrem Bastteppich, die glänzende Gitarre auf dem Schoß. Ja, Colin würde ihn genau so malen wollen.
»Cassidy?«
»Entschuldige, ich war eben ganz woanders mit meinen Gedanken. Hast du inzwischen ein paar Auftritte feststehen?«
»Zwei in der nächsten Woche. Und was ist mit dir und deinem Maler?« Konzentriert machte er sich daran, die Basssaite fester zu zurren, überprüfte den Klang, spielte weiter. »Ich hab ein paar von seinen Bildern gesehen. Er ist unglaublich.« Lächelnd legte er den Kopf ein wenig schief. »Und? Wie fühlte man sich, wenn man von einem der neuen Meister auf Leinwand verewigt wird?«
»Um ehrlich zu sein, es ist ein seltsames Gefühl, Jeff. Ich habe versucht, es genauer zu definieren, aber …« Sie zog die Beine an und wippte mit den Fersen. »Ich kann nie sagen, ob ich es bin, die er sieht, wenn er arbeitet. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich überhaupt in dem fertigen Porträt erkennen werde.« Sie runzelte die Stirn, dann verscheuchte sie diesen Gedanken mit einem Schulterzucken. »Vielleicht nutzt er nur einen Teil von mir, so wie ich nur Teile von Leuten, die ich kennengelernt habe, für meine Charaktere benutze.«
»Und wie ist er so?« Jeff konnte sehen, wie ihr Blick in die Ferne glitt.
»Faszinierend«, murmelte Cassidy. Es entging ihr völlig, dass sie es laut aussprach. »Er sieht aus wie ein Pirat, wild und ungestüm und bedrohlich. Und er hat die unglaublichsten blauen Augen, die ich je gesehen habe. Seine Hände sind wunderschön. Ein anderes Wort gibt es nicht dafür. Sie sind einfach schön.«
Ihre Stimme wurde weich. »Er strahlt diese unbedachte Sinnlichkeit aus«, sagte sie verträumt. »Wenn er arbeitet, wird das noch deutlicher. Wahrscheinlich, weil er von dieser enormen inneren Energie getrieben wird, die ihn von uns anderen trennt. Er möchte dann, dass ich etwas erzähle, woraufhin ich über alles rede, was mir gerade durch den Kopf geht.« Sie zuckte die Schultern und stützte das Kinn auf die Knie. »Dabei weiß ich nicht einmal, ob er mir überhaupt zuhört. Er hat ein ganz fürchterliches Temperament, und wenn er tobt und schimpft, dann verfällt er automatisch in seinen irischen Akzent. Allein deshalb lohnt es sich schon, seine Wutanfälle zu ertragen. Er ist unglaublich egoistisch und unerträglich arrogant und erschreckend charmant. Jedes Mal, wenn ich bei ihm bin, entdecke ich etwas Neues an ihm, enthülle ich noch eine Schicht seines Charakters. Doch selbst wenn ich Jahre mit ihm verbringen würde, würde ich ihn wahrscheinlich immer noch nicht wirklich kennen.«
Einen langen Moment war nichts anderes zu hören als Jeffs Musik. Dann bemerkte er: »Du scheinst ja richtig hin und weg von ihm zu sein.«
Cassidy kehrte mit einem Ruck aus ihrer Versunkenheit zurück. Erstaunt riss sie die violetten Augen auf, und sie hob den Kopf und richtete sich auf. »Wie? Aber natürlich nicht. Ich bin nur … nur …« Nur was, Cassidy? fragte sie sich selbst. »Mich interessiert nur, was genau ihn zu dem macht, was er ist.« Sie schlang die Arme um die Knie. »Mehr nicht.«
»Sicher, Baby. Du musst es ja wissen.« Mit einer geschmeidigen Bewegung stand Jeff auf, die Gitarre
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