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Die Geliebte des Malers

Die Geliebte des Malers

Titel: Die Geliebte des Malers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ihm überlassen hatte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn nie gefragt hatte, ob er es gelesen hatte oder was er davon hielt. Seine Kritik wäre viel schwerer zu ertragen als die unpersönliche Absage eines gesichtslosen Verlegers. Plötzlich war sie schrecklich nervös, als sie abwartend zu ihm hinsah. Doch der erwartete Kommentar von ihm blieb aus.
    Colin wanderte durchs Zimmer, befühlte ein Gesteck mit getrockneten Blumen, studierte ein silbergerahmtes Foto und sah zum Fenster hinaus, um den Ausblick auf die Stadt zu begutachten.
    »Kann ich dir etwas anbieten?«, fragte sie automatisch und erinnerte sich sofort an Jeffs Kommentar über den Inhalt ihres Kühlschranks. Sie kaute an ihrer Lippe. »Kaffee?«, fiel ihr ein. Den hatte sie da. Sie konnte nur hoffen, dass Colin seinen Kaffee schwarz trank.
    Colin wandte sich vom Fenster ab und schlenderte weiter durch die Wohnung. »Du hast ein gutes Auge für Farbkomposition, Cass« sagte er. »Und die beneidenswerte Fähigkeit, aus einem Apartment ein Heim zu machen. Ich habe Wohnungen bisher immer für seelenlose Räume gehalten, denen es sowohl an Charakter wie auch an Privatsphäre mangelt.« Er hob einen kleinen, mit Muscheln verzierten Handspiegel auf. »Vom Fisherman’s Warf, oder?« Fragend schaute er zu ihr hin. »Das muss ein ganz besonderer Fund gewesen sein.«
    »Ja, wahrscheinlich. Ich liebe die Stadt – und diesen Teil von ihr ganz besonders.« Sie lächelte, als sie es genauer überdachte. »Er strotzt nur so vor Leben. Die Boote liegen eng aneinandergedrängt vor Anker, ich stelle mir immer vor, woher sie gerade kommen oder wohin sie aufbrechen.« Kaum dass sie die Worte ausgesprochen hatte, kam sie sich albern vor. Es klang so verträumt und romantisch, wenn sie sich doch solche Mühe gab, Colin zu beweisen, dass sie genau das Gegenteil davon war. Er lächelte ihr zu, und ihre Verlegenheit verwandelte sich in etwas, das viel gefährlicher war. »Ich mache uns Kaffee«, sagte sie hastig und wollte aufstehen.
    »Nein, lass nur.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie auf ihrem Platz zu halten, und überblickte ihren Schreibtisch. Überall lagen Seiten und Notizzettel verstreut, Nachschlagewerke waren zu einem hohen Stapel aufgebaut. »Ich halte dich von deiner Arbeit ab. Das ist unverzeihlich.«
    »Das scheint heute Abend ja angesagt zu sein.« Sie schüttelte ihr Unbehagen ab und lächelte, als Colin noch eine Runde durch den Raum drehte. »Aber das ist schon in Ordnung, ich bin sowieso fast fertig. Sonst hätte ich nämlich genauso kratzbürstig reagiert wie du, wenn man dich bei deiner Arbeit unterbricht.« Sie genoss es, dass er ihr diesen spöttischen Blick zuwarf und den Mund zu einem zerknirschten Grinsen verzog.
    »Und wie kratzbürstig genau ist das?«
    »Ganz fürchterlich kratzbürstig. Setz dich doch, Colin. Die Böden in diesen Wohnungen sind dünn, du läufst sie noch durch.« Sie deutete auf einen Sessel, doch er ließ sich auf der Schreibtischkante nieder.
    »Ich habe dein Buch heute zu Ende gelesen.«
    »Ja, ich dachte mir schon, dass du deshalb das Manuskript zurückbringst.« Sie sprach sehr bedacht, sehr gelassen, doch als noch immer nichts von ihm kam, stöhnte sie frustriert auf. »Colin, sei nicht so, bitte! Spann mich nicht auf die Folter, ich bin nicht besonders gut darin! Ich würde schon alles verraten, noch bevor man mir den ersten Bambussplitter unter den Nagel geschoben hätte. Ich bin eine Memme. Nein, warte!« Sie hob beide Hände, als er den Mund aufmachte, stand auf und ging einmal durch den Raum. »Wenn es dir nicht gefallen hat, dann werde ich sicherlich nur für eine Weile am Boden zerstört sein. Ich werde es überleben, da bin ich sicher. Nun, fast sicher. Ich will, dass du offen und ehrlich bist. Ich will keine Plattitüden von dir hören und auch keine Halbwahrheiten. Nimm keine Rücksicht auf mich.« Sie schob sich das Haar mit beiden Händen zurück und hielt die Fingerspitzen an die Schläfen gepresst. »Aber sag ja nicht, dass es interessant war. Das wäre überhaupt das Schlimmste, was du sagen könntest.«
    »Bist du jetzt fertig?«, fragte er leise.
    Cassidy stieß langsam den Atem aus, ließ die Hände sinken und nickte. »Ja, ich glaube schon.«
    »Komm her, Cass.«
    Sie gehorchte sofort, denn seine Stimme klang warm und verständnisvoll. Ihre Blicke trafen aufeinander, und Colin nahm ihre Hände in seine.
    »Ich habe bisher nichts von deinem Buch gesagt, weil ich es lesen wollte, ohne

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