Die Geliebte des Malers
Gemälde brachte, so wie er es am ersten Tag ihrer Zusammenarbeit gemacht hatte. Dieser stürmische Kuss war eine lebhafte Erinnerung, aber er blieb genau das – eine Erinnerung.
Während sie in ihrer Wohnung an der Schreibmaschine saß, sagte Cassidy sich auch, dass sie wirklich Glück hatte. Sie hatte einen Job, der ihre Rechnungen zahlte und die Wölfe von ihrer Tür fernhielt, und sie arbeitete für jemanden, der völlig in seiner Arbeit aufging. Immerhin war sie ehrlich genug zuzugeben, dass sie sich mehr als nur ein wenig zu Colin hingezogen fühlte. Da war es nur gut, dass er sich so auf seine Arbeit konzentrierte und sie kaum als Mensch aus Fleisch und Blut wahrnahm, sondern nur das Modell in ihr sah. Es sei denn, ich verändere meine Position. Sie starrte mit gerunzelter Stirn auf ihr Konterfei, das sich in der Fensterscheibe spiegelte.
Es war also völlig verständlich, dass sie sich von ihm angezogen fühlte, beschied sie im Stillen. Aber so dumm wie ihre Vorgängerin mit der milchweißen Haut war sie nicht. Sie würde sich nicht in ihn verlieben. Dazu war sie viel zu vernünftig.
Bilde dir bloß nichts ein, tönte eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.
Aus dem leichten Stirnrunzeln wurde eine tiefe Falte. Nein, ich bin vernünftig, sagte sie sich. Wegen Colin Sullivan würde sie sich nicht zum Narren machen. Er hatte seine Kunst und seine Gail Kingsley, und sie hatte ihre Arbeit.
Mit einem Seufzer schaute Cassidy auf das blütenweiße Blatt in der Schreibmaschine. Colin störte sie immer wieder bei ihrer Arbeit. Er wird mich nicht mehr unterbrechen, nahm sie sich entschlossen vor und setzte sich bequemer in ihren Stuhl. Dieses Kapitel würde sie heute Abend fertig schreiben, ohne einen weiteren Gedanken an Colin Sullivan zu verschwenden!
Schon bald ertönte das gleichmäßige flinke Klappern der Schreibmaschinentasten. Cassidys Finger flogen über die Tastatur. Sobald sie einmal begonnen hatte, verlor sie sich in der Welt der Charaktere, die sie erschaffen hatte. Für die Liebesszene, die sich auf den Seiten entwickelte, griff Cassidy unbewusst auf ihre eigene Erfahrung zurück. Die Umarmung in ihrer Geschichte erfolgte mit der gleichen blitzartigen Geschwindigkeit, mit der auch Colins Kuss sie überrumpelt hatte. Aber jetzt war es Cassidy, die die Kontrolle hatte, die ihre Figuren drängte und deren Schicksal bestimmte.
Die Szene war noch nicht ganz fertig geschrieben, als es an ihrer Wohnungstür klopfte. Unter angehaltenem Atem stieß sie eine leise Verwünschung aus.
Sie hörte mitten im Satz auf zu tippen. Dann fiel es ihr leichter, dort mit ihren Gedanken wieder anzusetzen. »Wer ist da?«
»Hey, Cassidy.« Jeff Mullans steckte sein fröhliches Gesicht mit dem buschigen roten Bart zur Tür herein. »Hast du eine Minute Zeit?«
Weil er ihr Nachbar war und weil sie ihn mochte, unterdrückte Cassidy den Seufzer und lächelte stattdessen. »Sicher.«
Er schob sich selbst, eine Gitarre und ein Sechserpack Bier durch die Tür. »Kann ich was von meinem Zeug in deinem Kühlschrank unterbringen? Meiner hat sich schon wieder verabschiedet. In dem Ding ist es heiß wie in der Wüste.«
»Klar, mach nur.« Mit dem Stuhl schwang Cassidy zu ihm herum. »Wie ich sehe, hast du deine ganzen Besitztümer mitgebracht. Ich wusste gar nicht, dass eine Gitarre gekühlt werden muss.«
»Die nicht, nur das Bier.« Grinsend marschierte er an ihr vorbei in ihre kleine Küche. »Und du bist die Einzige im Haus, der ich mein Bier anvertrauen würde.« Er öffnete den Kühlschrank und runzelte die Stirn. »Sag mal, Cassidy, hältst du eigentlich nichts von Nahrung? Ich sehe hier nur einen halben Liter Saft, zwei Möhren und ein halbes Pfund Margarine.«
»Ist dir eigentlich gar nichts heilig?«
»Komm rüber zu mir, und ich spendiere dir ein anständiges Abendessen.« Jetzt nur noch die Gitarre in der Hand, kam er wieder aus der Küche hervor. »Ich hab noch Tacos und ein paar harte Donuts. Mit Marmelade gefüllt.«
»Hört sich großartig an, aber ich muss dieses Kapitel noch zu Ende schreiben.«
Jeff strich sich über den Bart. »Du weißt nicht, was dir entgeht. Hast du schon was aus New York gehört?« Er warf einen neugierigen Blick über ihre Schulter auf die Seiten, die auf dem Schreibtisch lagen, und ließ sich dann im Schneidersitz auf dem Boden nieder, die Gitarre auf dem Schoß.
»An der Ostküste scheint eine Verschwörung des Schweigens vor sich zu gehen.« Cassidy seufzte schwer, zuckte mit
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