Die Geliebte des Malers
ihm alles von sich gegeben, uneingeschränkt und bedingungslos.
Langsam, die Hände an ihren Schultern, schob Colin sie von sich weg. Ihre Wimpern flatterten, bevor Cassidy die Kraft fand, die Augen zu öffnen und ihn anzusehen. Seine Miene war düster und verschlossen. Seine Hände verspannten sich.
»Du hast recht.« Seine Stimme klang rau und belegt vor Erregung. »Ein Kuss hat nichts Simples an sich. Ich will dich, Cass. Und du solltest besser vorher wissen, dass nichts mich aufhalten wird.« Seine Finger lockerten sich, der Griff wurde zu einer Liebkosung. »Wenn das Gemälde vollendet ist, werden wir keine andere Wahl haben, als uns unserem Schicksal zu stellen.«
»Nein.« Verängstigt und verwirrt durch Gefühle, die viel zu intensiv waren, wandt Cassidy sich aus seiner Umarmung. Ihre Hand zitterte, als sie sich durch die Haare fuhr, und sie atmete viel zu schnell. »Nein, Colin«, bekräftigte sie noch einmal. »Ich werde mich nicht als die neueste Ausgabe in die Liste deiner Eroberungen einreihen. Auf gar keinen Fall! Ich bin mehr wert als das. Und das solltest du besser vorher wissen.« Sie trat von ihm zurück, die Schultern würdevoll und stolz gestrafft.
Colin kniff die Augen zusammen, Cassidy konnte sehen, dass er verärgert war. »Das könnte äußerst interessant werden.« Er machte einen Schritt vor, griff in ihr Haar und zog ihr Gesicht heran, um ihr einen kurzen harten Kuss zu geben. Cassidy schnappte unmerklich nach Luft, doch sie hielt seinem Blick stand. »Es wird sich mit der Zeit zeigen, Cass, meine Liebe. Es ist schon spät, fast Mitternacht, ich sollte jetzt besser gehen.« Er hob ihre Hand an und küsste die Spitzen ihrer Finger. »Denn nach Mitternacht ist die Sünde noch viel reizvoller.« Er lächelte unverbindlich, dann drehte er sich um und ging zur Tür. Er legte den kleinen Hebel um, sodass das Schloss einschnappen würde, sobald er die Tür zufallen ließ. »Finde deinen Schlüssel«, ordnete er noch an, und damit war er verschwunden.
5. K APITEL
Eine ganze Woche verging, ohne dass Cassidy und Colin aneinandergerieten. Am Morgen nach seinem Besuch war sie pünktlich in seinem Atelier, fester entschlossen denn je, ihm zu widerstehen. Es war ihr ernst gewesen, als sie ihm sagte, dass sie keineswegs vorhatte, ein weiterer Name auf seiner Liste von Eroberungen zu werden.
Sie hatte sich nie etwas anderes für sich vorstellen können als eine tiefe und beständige Beziehung, die die Zeit überdauern würde. Ihre Ideale und ihr Studium hatten sie vom anderen Geschlecht ferngehalten, und daher hatte sie sich auch ihre Naivität bewahrt. Sie war nur mit ihrem Vater aufgewachsen; sie hatte als Kind nie die enge Bindung zwischen Mann und Frau miterlebt. Sicher, da waren einige Frauen gewesen, mit denen ihr Vater eine unverbindliche Beziehung gepflegt hatte, aber keine von diesen Frauen war wirklich wichtig für sein Leben geworden. Die einzige echte Leidenschaft in seinem Leben war seine Arbeit gewesen, und so hatte Cassidy sich geschworen, dass sie eines Tages einen Menschen finden würde, mit dem sie ihr Leben teilen wollte.
Sie erachtete diesen Schwur nicht als romantische Wunschvorstellung, sondern als Notwendigkeit. Eine dauerhafte Beziehung war für ihre Seele so unerlässlich wie Nahrung für ihren Körper. Und ehe sie nicht gefunden hatte, was sie suchte, würde sie warten. Bis sie Colin getroffen hatte, war sie auch nie in Versuchung gekommen, ihren Schwur zu brechen. Und so hatte sie sich fest vorgenommen, als sie in sein Atelier zurückkehrte, dieser Versuchung und Colin zu trotzen.
Eine Vorsichtsmaßnahme, die völlig unnötig war.
Colin sprach nur knapp und sachlich mit ihr, und wenn er sie in Pose stellte, dann waren seine Berührungen absolut unpersönlich. Dennoch … da lag etwas in seinem Gesicht, hinter der ungerührten Maske, das die Luft zum Knistern brachte. Ob es Ärger oder Leidenschaft oder Aufregung war, wusste Cassidy nicht zu sagen. Sie wusste nur, dass sie sich dessen extrem bewusst war – und sich Colins bewusst war.
Während der Sitzungen im Atelier sprachen sie nur das Nötigste miteinander, dazwischen entstanden lange Pausen, in denen absolutes Schweigen herrschte. Am Ende der Woche lagen Cassidys Nerven blank. Sie fragte sich, ob Colin die gleiche Anspannung umtrieb. Doch er schien einzig und allein daran interessiert zu sein, sein Bild zu vollenden.
Die Sonne fiel warm durch die Fenster herein, doch Cassidys Muskeln verkrampften sich langsam,
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