Die Geliebte des Normannen
verbergen konnte, und das erregte ihn noch mehr. Er ließ sie los. Er hatte kein Verlangen, sich mit etwas zu quälen, worauf er noch drei Wochen lang würde warten müssen.
»Was verbergt Ihr vor mir, Demoiselle?«
Sie erbleichte erneut.
»Gar nichts! Adele hat die Wahrheit gesagt. Sie war so freundlich, mich auf die Hochzeitsfeier vorzubereiten.« Tränen hatten sich in den Augen seiner Braut gesammelt.
»Ich habe fast zehn Jahre im Haushalt des Königs gelebt«, erwiderte er. »Ich erkenne eine Intrige sofort, wenn ich damit konfrontiert werde. Adele Beaufort ist wie die meisten Ladys hier, eitel, selbstsüchtig und ehrgeizig bis ins Mark. Was heckt ihr beiden aus, Mary?«
Mary schwieg verbissen, doch er sah ihr an, dass sich ihre Gedanken überschlugen.
Als sie zu sprechen begann, wusste er sofort, dass sie log, und obwohl er nichts anderes erwartet hatte, ließ seine Enttäuschung einen schlechten Geschmack in seinem Mund zurück.
»Ich bin nun fast eine Woche in diesem luftlosen Grab eingesperrt. Eine einzige Schottin unter hundert Normannen. Aber Ihr missgönnt mir meine einzige Freundin. Ihr könnt uns nicht auseinanderreißen!«
»Sie hat kein freundliches Wesen, Demoiselle. Sie schließt nur Freundschaft, wenn sie daraus Gewinn ziehen kann. Denkt an meine Worte, Mary. Wenn Ihr sie für eine Freundin haltet, täuscht Ihr Euch. Tatsächlich gibt es in einem Leben wie diesem überhaupt keine Freundschaft.«
Sie blickte ihn mit großen Augen an, trotzig, verängstigt, zitternd.
»Was immer Ihr plant«, sagte er schroff, »ich schlage vor, Ihr hört damit auf, sofort.«
»Eure Fantasie geht mit Euch durch«, wandte sie gepresst ein. »Wir haben kein Komplott geschmiedet.«
»Ich denke, das werden wir bald sehen«, entgegnete er bestimmt. »Habt Ihr Interesse, mit mir zu Mittag zu essen?« »Nein«, antwortete sie. »Nein, ich habe starke Kopfschmerzen, ich kann nicht.«
Er nahm ihre Absage nicht mit Gleichmut entgegen, seine Miene zeigte Verärgerung und Zorn. Mary zog den Kopf ein und wollte sich entfernen, doch er hielt sie an der Schulter fest.
»Wartet.«
Er gab einem seiner Männer, der mit ihm heraufgekommen war, ein Zeichen. Daraufhin trat dieser mit der sorgfältig in billiges, farbloses Leinen verpackten Wolle aus Flandern vor. Stephen ließ die Mundwinkel hängen; ihr das Geschenk auf diese Weise zu übergeben, erfreute ihn in keiner Weise.
»Was ist das?«, flüsterte Mary mit großen Augen.
»Für Euch, Mademoiselle«, sagte er kurz angebunden und nickte zum Abschied. »Ich hoffe, Eure Migräne geht schnell vorüber.«
Er merkte, dass er ihr die beiden anderen Geschenke nicht überreichen konnte. Offenbar war der Krieg noch nicht beendet.
Geoffrey schritt durch den großen Saal, das Gesicht von Zorn entstellt. Zorn, den er unter allen Umständen verbergen musste.
Zum dritten Mal in drei Wochen hatte er eine königliche Vorladung erhalten. Doch dieses Mal musste er nicht warten. Dieses Mal war die Vorladung von Rufus' Schergen überbracht worden. Sie hatten ihn eiligst nach London eskortiert und begleiteten ihn sogar bis vor die Tür.
Die vor den königlichen Gemächern postierten Wachleute traten zur Seite. Geoffrey wurde sofort hineingeführt; erst dann wichen die beiden Ritter von seiner Seite.
Er stockte beinahe, als er den Raum durchquerte und vor Rufus trat, der auf einem Thron saß, welcher exakt jenem draußen im Saal glich. Denn bei ihm standen drei Männer: Duncan, Montgomery und sein eigener Vater, Rolfe de Warenne.
Der Graf von Northumberland warf ihm einen warnenden Blick zu.
» Es freut Uns sehr, lieber Geoffrey, dass Ihr so rasch zu Uns gekommen seid«, begann Rufus.
Geoffreys Gedanken rasten. Er konnte sich keinen anderen Grund für diese Vorladung denken als den, auf die Probe gestellt zu werden. Der König wollte die Ritter einfordern, die Geoffrey im schuldete.
Geoffrey kniete kurz nieder und erhob sich auf eine Geste des Königs.
»Sire?«
»Die Zeit ist gekommen, Eure Wahl zu treffen«, sagte Rufus mit einem Lächeln, als habe er ihn eben nach dem Wetter gefragt.
Geoffreys Herz klopfte heftig, doch er fasste sich rasch wieder.
»Wollt Ihr Eurem König die Treue schwören, Erzdiakon? Vor diesen drei Männern und mit Gott als Unserem Zeugen?«
Geoffrey erbleichte.
Er hatte sich geirrt.
Der König forderte nicht nur Dienste.
Er forderte weit mehr: dass Geoffrey ihm vor Zeugen den Lehnseid schwor. Seit einiger Zeit forderten verschiedene
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