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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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Vater und auch sein Bruder nicht in der Hitlerjugend aufgenommen wurden.
    Auch in Ellens Familie wurde den beiden Töchtern als wichtigste Botschaft mitgegeben: Nur nicht auffallen im Leben! Sich bedeckt halten! Eine Botschaft, die fast alle am Tisch Sitzenden von zuhause mitbekamen. Auch Margot. Sie war Einzelkind, wuchs auf in einem bayerischen Dorf, geliebt und von den Eltern verwöhnt. Ihre Mutter war berufstätig. »Und sie hat mir immer vermittelt, du musst brav sein, darfst nicht auffallen, mir keine Schande machen. Denn ich gehe arbeiten und wenn du irgendetwas anstellen würdest, hieße es gleich, die Tochter ist so, weil die Mutter nicht zu Hause ist.«
    Separate Klos für Flüchtlingskinder
    Millionen Menschen sind nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und infolge von Hitlers vernichtendem Feldzug im Osten Europas aus ihrer Heimat vertrieben worden. 1960 stammte ein Viertel der bundesrepublikanischen Bevölkerung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, der Tschechoslowakei, den südeuropäischen Ländern oder der sowjetisch besetzten Zone, der späteren DDR. Die Schrecken der Flucht saßen ihnen noch in den Knochen. Solange sie nicht in ihre Heimat zurückkonnten, war ihr größter Wunsch: sich irgendwo niederlassen, wieder ein Dach über dem Kopf finden, ein neues Zuhause schaffen. Damit allerdings kollidierten sie oftmals mit den Interessen der einheimischen Bevölkerung.
    Erich weiß das noch sehr genau. Als damals in Stuttgart dreigroße Wohnsiedlungen gebaut wurden und es hieß, die sind für die Ostzonenflüchtlinge, »kam ein wahnsinniger Neid auf. Wie gut die es doch hatten, hat mein Vater bis zu seinem späteren Tod immer wieder gesagt.« Denn seinem Antrag auf eine Sozialwohnung war nicht stattgegeben worden. Während die Neuankömmlinge mit ihrem Flüchtlings- oder Vertriebenenausweis bei der Wohnungsvergabe bevorzugt wurden. »Das war eine Katastrophe für die Leute, die selber schon seit Jahren auf angemessenen Wohnraum warteten.« Es war aber auch eine Katastrophe für das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. »Damals gab es in Stuttgart riesige Spannungen.«
    Erichs Familie blieb somit noch einige Jahre auf zwei Zimmern ohne Bad hocken. Seine Mutter packte deshalb einmal pro Woche Seife und Handtücher ein, nahm ihren Sohn an die Hand und ab ging es mit der Straßenbahn von Weilimdorf nach Feuerbach. Dort gab es ein öffentliches Bad mit Wannenbädern. »Man löste vorn eine Marke und musste dann solange warten, bis eine Wanne frei war. Die wurde geschwind durchgewischt und dann gingen wir zusammen da rein. Meine Mutter hat mich in der Wanne gebadet und dann war sie dran. Ich musste solange draußen warten, bis sie fertig war.« Für Erich war dieser Besuch des Stadtbades ein Ereignis, auf das er sich schon Tage vorher freute. Während bei Henning zuhause Anfang der 50er Jahre einmal in der Woche unten im Keller der Badeofen angeheizt wurde. Dort stieg er, um Wassergeld zu sparen, gemeinsam mit seinen beiden Schwestern in die Wanne. Seine älteste Schwester verdonnerte ihn dazu, das nur ja nicht auf der Straße weiterzuerzählen.
    Flüchtlingskind Henning gehörte zu diesen Schmuddelkindern, mit denen einigermaßen gut situierte Kinder wie Ellen nicht spielen durften. Die erinnert sich: »Neben uns wohnte im Untergeschoss eines zerbombten Hauses eine Flüchtlingsfamilie mit dreizehn Kindern. Ich weiß noch, dass eines dieser Kinder irgendwoher ein Fahrrad bekommen hatte, ein ganz neues Fahrrad. Genauso eins, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Woraufhinmeine Mutter spitz meinte: Mit denen haben wir nichts zu tun! Die können ihr Geld nicht einteilen! Das ist wieder typisch, dass die sich ein neues Fahrrad anschaffen!«
    Überall wo Flüchtlinge hinkamen, wehrte sich die Bevölkerung zunächst. Dabei war es für die Betroffenen schon schlimm genug, beispielsweise als evangelische Christen in einer katholischen Gegend angesiedelt zu werden. In manchen Schulen wurden Extralehrer nur für diese Flüchtlingskinder eingestellt oder Extraklassen eingerichtet. »Und zu guter Letzt«, schilderte mir vor Jahren eines der damaligen Flüchtlingskinder für eine Reportage, »gab es sogar ein rein evangelisches Klo. Das katholische Klo durften wir nicht benutzen. Man hatte uns solange angefeindet, uns dies so miesgemacht, bis dann eine Extratoilette für uns Flüchtlingskinder gebaut wurde.« Warum das so sei, erkundigte sie sich. Woraufhin ihr forsch ins Gesicht gesagt wurde,

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