Die Gerechten
Pantoffeln wie die Schulhausmeister seiner Jugend, sondern ein gut aussehender Mittdreißiger, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem einstigen Schachweltmeister Gary Kasparow hatte. In Anbetracht der Migrationsbewegungen aus der ehemaligen Sowjetunion wäre es keine große Überraschung gewesen, wenn dieser Mann, der die Aufgabe hatte, tagsüber die Post anzunehmen und Rohrbrüche zu reparieren, tatsächlich ein Schachgroßmeister gewesen wäre.
»Miss TC!«, rief er, und aus der Freude in seinem Gesicht wurde Enttäuschung, als er Will sah.
»Hallo, Mr. P.« Sie flirtete. Gut, dachte Will.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Na ja, es ist eine komische Situation, Mr. P. Aber mein Freund und ich haben uns eine hübsche Geburtstagsüberraschung für seine Frau ausgedacht.« Ein netter Touch. Sie macht ihm klar, dass ich nicht ihr Lover bin.
»Und der Geburtstag fängt jetzt gleich an.« TC sah theatralisch auf die Uhr. »Um Mitternacht, genau gesagt.« Sie klang atemlos und eifrig.
»Die Sache ist die«, übernahm Will. »Wir müssen das Haus verlassen, ohne dass sie uns sieht. Sie steht draußen. Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich dachte, vielleicht haben Sie eine Möglichkeit, uns zu verstecken, einen Karren oder einen Wagen, mit dem Sie uns durch den Hinterausgang hinausschieben können.«
Will sah, dass der Schachweltmeister nicht wusste, was er sagen sollte. Er starrte die beiden verständnislos an. TC ließ ein Lächeln erstrahlen, das man noch vom Weltraum aus hätte sehen können, aber es half nichts. Der Hausmeister war ratlos. Will beschloss, zu internationalen Verständigungsmitteln zu greifen.
»Hier sind fünfzig Dollar. Bringen sie uns in einer von diesen Mülltonnen nach draußen.« Er deutete auf eine Reihe großer Plastiktonnen auf Rädern, die neben der Hintertür standen.
»Ich soll Miss TC in die Mülltonne stecken?«
»Nein, Mr. P. Sie sollen uns beide hineinstecken und ein Stück die Straße hinunterschieben. Hundert Dollar. Okay?«
Will beschloss, die Verhandlung zu beenden. Er drückte dem Hausmeister das Geld in die Hand und ging zur Hintertür. Dann deutete er auf den Schlüsselbund am Gürtel des Hausmeisters. Mr. P, immer noch kopfschüttelnd, schloss die Tür auf. Will zeigte auf die blaue Tonne mit der Aufschrift »Papier« und ließ sie von dem Mann so dicht wie möglich an die Tür rollen. Er kippte die Tonne auf die Seite, der Deckel klappte auf, und der Inhalt quoll heraus. Zeitschriften, Telefonbücher und Computerprospekte ergossen sich auf den Boden. Der Hausmeister machte ein grimmiges Gesicht, und Will gab ihm noch einen Zwanziger.
Es war nicht schwer, in die waagerecht liegende Tonne hineinzukriechen; Will tat es geduckt, als schiebe er sich in einen Tunnel. Er rollte sich zusammen, legte sich auf die Seite und winkte TC zu sich herein, und dann kauerten sie Seite an Seite wie eine Walnuss in einer blauen Plastikschale.
Will nickte, und Gary Kasparow klappte den Deckel zu. Mit aller Kraft und einem tiefen leisen Grunzen stellte er die Tonne wieder senkrecht, neigte sie ein Stück zur Seite und fing an zu schieben. Erschrocken fiel Will ein, dass sie weder den Weg noch das Ziel besprochen hatten.
Sie wurden heftig durcheinander geschüttelt, aber keiner gab einen Mucks von sich. Ihre Knie berührten sich, und ihre Gesichter waren nur einen Fingerbreit voneinander entfernt, und als Mr. P über ein Schlagloch im Hinterhof fuhr und sie beide hochgeschleudert wurden, hätten sie am liebsten gekichert, so lächerlich war diese Situation. Aber der Gedanke ans Lachen brachte ihm den Ernst der Lage ins Bewusstsein: Beth.
Sie fühlten, dass es langsamer voranging; Mr. P wurde anscheinend müde. Will klopfte leise an die Wand. Die Tonne senkte sich wieder in die Waagerechte, und sie konnten hinauskriechen. Der Hausmeister hatte gute Arbeit geleistet; er hatte fast drei Häuserblocks hinter sich gebracht und war dabei immer in dem schmalen Hof hinter den Gebäuden geblieben. Da hatte sie sicher niemand gesehen.
Sie verabschiedeten sich von ihm, und TCs kurze Umarmung, dachte Will, war dem Mann vermutlich mehr wert als das Doppelte seines Barhonorars. Sie sahen ihm nach, als er verschwand: Ein russischer Emigrant, der um Mitternacht eine leere Tonne durch die Straßen von New York rollte. Das war das Schöne an dieser Großstadt: Nichts war so außergewöhnlich, dass irgendjemand Notiz davon nahm.
Sie klopften sich den Staub von den Kleidern, und Will zupfte
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