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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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ein Stück von einer Fernsehzeitung von TCs Kragen. Noch nie war er so froh über die rigorosen Recycling-Verordnungen der Stadt New York gewesen. Ohne sie hätten er und TC in einer stinkenden Mülltonne flüchten müssen.
    »Okay.« Er sah sich um und versuchte sich zu orientieren. »Jetzt müssen wir ungefähr sechs Straßen weit nach Norden. Am besten im Laufschritt.« Sofort lief er los.
    »Was zum Teufel ist hier los, Will?«, fragte TC, als sie ihn eingeholt hatte. »Du siehst einen Typen mit einer Baseballkappe, und als Nächstes springen wir in eine Mülltonne? Und jetzt müssen wir rennen? Was soll das?«
    »Ich hab ihn schon mal gesehen. Vor dem Times -Gebäude.«
    »Bist du sicher? Wie kannst du das sagen – mit einem Blick aus dem fünften Stock? Du hast ihn doch bloß einen Moment lang gesehen.«
    »TC, glaub mir, es war derselbe Mann.« Er wollte ihr von der Haltung des Mannes erzählen, aber ihm war klar, dass es sich verrückt anhören würde. Und zu viel Sauerstoff würde es außerdem kosten. »Er trug die gleichen Kleider. Er war da, um mich zu beobachten. Oder uns.«
    »Du glaubst, die Chassiden haben ihn geschickt?«
    »Natürlich. Vielleicht gehört er auch selbst zu ihnen. Er braucht ja nur andere Sachen anzuziehen, und dann sieht er ganz normal aus.«
    TC warf ihm einen Blick zu.
    »Du weißt schon, wie ich das meine. Er verschwindet in der Menge. Ich hab letzte Woche in Crown Heights gesehen – mein Gott, das war ja erst gestern! Ich hab gestern in Crown Heights gesehen, dass viele von denen ganz gewöhnlicher amerikanischer Herkunft sind.« Er geriet außer Atem. »Es ist ja kein Problem für sie, die Tracht abzulegen und amerikanische Alltagskleidung anzuziehen, wenn ihre ›Mission‹ es erfordert.«
    TC sah ein, dass er Recht hatte. Und das machte ihr Angst.
    Will dagegen hatte noch selten so zielstrebig ausgesehen. Sie waren an ihrem Ziel angekommen: an der Penn Station. Er stürmte die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal, und folgte den Schildern zur Long Island Rail Road. Am Ticketautomaten blieb er stehen, drückte auf ein paar Tasten und wartete, die Hand vor dem Ausgabeschlitz. TC begriff, dass sie keine Ahnung hatte, wo er hinwollte.
    Das Timing war perfekt; sie brauchten nur fünf Minuten zu warten, und schon kam der »Milchkannenzug«, wie Will es nannte – anscheinend ein britischer Ausdruck für den verschlafenen Bummelzug, der nach Mitternacht fuhr, um null Uhr fünfunddreißig, genau gesagt. Sie hatten den Wagen fast für sich allein; nur in einer Ecke hockte ein unrasierter Mann und schien seinen Rausch auszuschlafen.
    »Mit diesem Zug bin ich immer zu meinem Dad hinausgefahren, bevor wir das Auto hatten«, sagte Will, und sofort bedauerte er das »wir«: Es kam ihm unfreundlich vor, der allein stehenden TC sein verheiratetes Leben unter die Nase zu reiben. Und die Reue erinnerte ihn sofort daran, dass er und TC nicht ein einziges Wochenende in Sag Harbor verbracht hatten; er war ihrem Beispiel gefolgt und hatte ihre Beziehung praktisch geheim gehalten. TC war seinem Vater nur einmal begegnet, und sie hatten nie Zeit miteinander verbracht. Beth dagegen hatte sofort Zugang zu Monroe Sr. gefunden; das war einer der Gründe, weshalb ihm damals alles so richtig erschien.
    Schweigen senkte sich auf sie herab. TC brach es schließlich, sie wühlte in ihrer Tasche und holte den letzten Gegenstand hervor, den sie eingesteckt hatte, bevor sie das Apartment verlassen hatten. Die Bibel.
    »Gott, das hätte ich beinahe vergessen.«
    Sie blätterte eilig in dem Buch. »Hier. Das Buch der Sprüche. Kapitel zehn.«
    »Haben wir das nicht schon geklärt? Wir haben gefunden, was wir finden sollten: gerecht, gerecht, gerecht.«
    »Ich weiß, aber ich bin eine Streberin. Ich will es noch ein bisschen studieren.«
    »Wonach suchst du?«
    »Das ist das Dumme. Ich weiß es nicht. Aber irgendetwas sagt mir, dass ich es wissen werde, wenn ich es sehe.«

33
    SONNTAG, 3.08 UHR, SAG HARBOR, NEW YORK
    Das Haus in Sag Harbor sah aus wie immer. Der Schlüssel lag unter dem Blumentopf, und die Heizung lief, genau wie Wills Vater es dem örtlichen Hausmeister angeordnet hatte. Will machte sich im Haus zu schaffen; er schaltete die Lampen ein, setzte den Wasserkessel auf.
    Er brühte Tee auf, fand ein Päckchen Kekse mit einem Verfallsdatum im 21. Jahrhundert und setzte sich an den großen alten Eichenholztisch, der Monroe Sr.s erlesen rustikale Küche dominierte.
    Sofort überfielen ihn

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