Die Gerechten
sich vor allem über die absurde Vorstellung lustig zu machen, dass man den schwer arbeitenden, verheirateten Will Monroe im Verdacht hatte, ein drogenabhängiger Freak Brother zu sein. Aber darüber konnte Will nicht lachen. Das Geflachse seines Freundes bestätigte nur seine schlimmsten Befürchtungen: Er war tatsächlich vom Dienst bei der New York Times suspendiert, und es war genau das passiert, was er befürchtet hatte: Er war in der Redaktion zum Gesprächsthema Nummer eins geworden, zum Gegenstand der Spekulationen am Wasserspender. Die Tatsache, dass dies eine triviale Angelegenheit war, neben seinen anderen Sorgen kaum eines Gedankens wert, machte die Verzweiflung seiner Lage nur noch augenfälliger.
»Nein, Andy. Ich hab nichts Schlechtes geraucht. Genau gesagt, ich hab überhaupt nichts geraucht. Aber ich kann mir vorstellen, wie das alles aussehen muss. Ausgezeichnet, Spitzenklasse. Einfach sagenhaft, verdammt.«
»Tut mir Leid, Alter. Kann ich was tun?«
»Ja, die Telefonnummer wäre eine große Hilfe. Handy, wenn’s geht.«
»Na klar, das geht. Aber vergiss nicht, die sind zwölf Stunden früher dran als wir. Jetzt ist es da kurz vor zehn Uhr nachts.«
Will nahm sich keinen Augenblick Zeit, um das Telefonat mit Andy zu verdauen. Während er die lange Nummer nach Bangkok wählte, malte er sich aus, wie die Volontäre und jungen Reporter der Times in diesem Augenblick das New Yorker Mobilfunknetz mit SMS-Nachrichten über Will Monroes Aufstieg und dramatischen Fall heißlaufen ließen, aber das war alles. Er schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Rufzeichen an seinem Ohr.
»Hallo?«
»Hallo, John? Will Monroe von der Lokalredaktion. Komme ich ungelegen?«
»Nein. Ich bin bloß erst seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen und will gerade einen Artikel fertig machen. Sie kommen in einem fabelhaften Augenblick.«
»Sorry. Ich will versuchen, es wirklich kurz zu machen. Ich weiß, dass Sie mit Terry Walton zusammenarbeiten, und ich will da nicht dazwischenfunken …«
»M-hm.«
»Aber ich arbeite hier gerade an einem Stück …« Eine schreckliche Lüge – eine, die Bishop mühelos entlarven könnte, aber Will vermutete, dass er ohnehin schon bis zum Hals in der Patsche saß, und da kam es auf ein paar Zentimeter mehr nicht weiter an. »Ich muss ein bisschen mehr über das Opfer erfahren. Mr. Sangsuk.«
»Mr. Samak. Er hieß Samak Sangsuk. Hier in Thailand kommt der Familienname zuerst. Wie bei Mao Tse-Tung, wissen Sie? Aber das alles hab ich schon rübergeschickt. Die Auslandsredaktion muss es haben.«
Scheiße. Hätte mir das Material von Andy mailen lassen sollen.
»Ich weiß, und es ist auch alles super. Es geht nur um einen kleinen Hinweis, den ich von ein paar Chassiden hier bekommen habe.«
»Ach ja? Hervorragend, Will. Was ist denn das für ein Hinweis?« Sein Ton hatte sich geändert. Die Aussicht auf brauchbare Informationen verbesserte die Manieren eines Journalisten immer.
»Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber man hat mir gesagt, ich soll mir die Biographie des Opfers aufmerksam anschauen.«
»Ein reicher Kerl, weiter nichts, Geschäftsmann.«
»Ja, das weiß ich. Aber mein Informant« – eine Stufe über »Quelle« und deshalb sehr viel reizvoller – »meint, wenn wir ein bisschen tiefer graben, finden wir vielleicht etwas Brauchbares. Und Relevantes.«
»Wieso – war er ein Gangster? In dieser Stadt gibt es massenhaft Korruption. Das wäre nichts Neues.«
Jetzt musste er es darauf ankommen lassen. »Nein, nach allem, was ich höre, geht es um das Gegenteil. Man sagt mir, wenn wir gründlich suchen, werden wir an diesem Mann etwas sehr Ungewöhnliches finden – und ich meine nicht ungewöhnlich korrupt.«
»Na, was meinen Sie dann? Was werden wir Ungewöhnliches finden?«
»Ich weiß es nicht, John. Ich sage Ihnen, was die Chassiden mir gesagt haben. Sucht danach, und es wird alles erklären. Das hat mein Mann gesagt. Ich wollte den Tipp nur weitergeben.«
»Hier ist es zehn Uhr abends.«
»Ich weiß. Aber vielleicht sind irgendwelche Verwandten des Opfers, dieses Mr. Samak, noch wach? Freunde vielleicht?«
»Hm. Ich habe ein, zwei Nummern, die ich anrufen kann. Wenn ich was höre, schicke ich es in die Auslandsredaktion.«
Sie verabschiedeten sich, und Will atmete erleichtert aus. Jetzt verschwendete er die Zeit eines bedeutenden Auslandskorrespondenten. Innerhalb einer Woche wäre er wieder beim Bergen Record. Falls die ihn da
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