Die Gerechten
sich einmal um sich selbst: Nichts.
Er durchsuchte das ganze Apartment und leuchtete in jede Ecke.
»Aus dieser Geschichte können wir etwas lernen. Yes, sir. Man soll seinem Instinkt vertrauen. Ich dachte mir, dass sie weg sind, und sie sind weg.«
Er schaltete das Licht ein und sah sich eingehend um, ohne Pugachov dabei aus den Augen zu lassen.
Er klappte TCs Laptop auf, startete den Internet-Browser und ließ sich die Liste der zuletzt besuchten Websites anzeigen. Dann zog er einen silbernen Stift und ein schwarzes Notizbuch heraus und schrieb auf, was er sah. Pugachov bemerkte, dass er enge schwarze Lederhandschuhe trug.
Dann fiel sein Blick auf einen halb aufgebrauchten Post-it-Block. Der oberste Zettel war leer, aber er hielt ihn trotzdem ans Licht. Und wie so oft, sah er auch hier die Spuren von Wörtern und Zahlen, die sich beim Schreiben des letzten Zettels durchgedrückt hatten. Erstaunlich, dass die Leute diesen Fehler immer wieder machten. Er hätte Will Monroe für schlauer gehalten.
Er nahm den Telefonhörer ab und drückte auf die Wiederholungstaste. Auf dem Display erschien die Nummer 1-718-217-547 71 17 3667 2743 41. So viele Ziffern konnten nur eins bedeuten: Monroe hatte eine computerisierte Hotline angerufen, bei der man sich durch Drücken verschiedener Zahlen weiterleiten ließ. Der Mann notierte sich die vollständige Zahlenreihe und drückte dann auf die Wähltaste.
Herzlich willkommen bei der Long Island Railroad …
Der Rest war simpel: Er brauchte nur die Ziffernfolge zu drücken, die er sich notiert hatte. »1« für Tonwahl, »1« für Fahrplaninformationen und dann die ersten fünf Buchstaben seines Startbahnhofs: »7 3667«. Ganz einfach. Die weibliche Computerstimme nannte ihm die Abfahrtszeit der nächsten drei Züge von Penn Station nach Bridgehampton, der Station für Sag Harbor.
Er ließ den Blick noch einmal durch das Zimmer wandern und entdeckte einen einsamen gelben Zettel auf dem Boden. Er hob ihn auf.
Vers 11: Des Gerechten Mund ist ein Brunnen des Lebens; aber den Mund der Gottlosen wird ihr Frevel überfallen.
Er steckte den Zettel ein und sah Pugachov an. »Okay, mein Junge. Gehen wir von Bord.« Er deutete mit der Pistole zur Wohnungstür.
Pugachov griff zum Türknauf und drehte sich dabei leicht zur Seite, sodass er dem Maskierten die Schulter zuwandte. Er erinnerte sich an die Ausbildung, die er vor langer Zeit im Wehrdienst bei der Roten Armee erhalten hatte, und entschied, dass der richtige Augenblick gekommen sei. Blitzschnell packte er den Mann beim Handgelenk, riss seinen Arm unter der Schulter hindurch und schleuderte ihn im Handumdrehen zu Boden.
Die Pistole war heruntergefallen. Pugachov wollte sich danach bücken und bekam im nächsten Augenblick einen Fußtritt zwischen die Beine. Er krümmte sich, und ein Arm schlang sich um seinen Hals. Er versuchte Ellenbogenstöße anzubringen, aber er konnte sich nicht bewegen; der Mann hielt ihn fest im Schwitzkasten und schien übermenschliche Kräfte zu besitzen. Pugachov hörte seinen Atem an seinem Ohr.
Mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, seinen Arm zu befreien und nach dem Kopf des Mannes zu schlagen. Aber er traf nicht. Seine Finger krallten in die Luft, und dann bekamen sie etwas zu fassen. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es keine Haare waren. Aus dem Augenwinkel sah er, was er da gepackt hatte: Er hielt die Skimaske in der Hand.
Plötzlich ließ der Mann ihn los. Pugachov sackte keuchend zusammen. Er war nicht mehr die durchtrainierte Kampfmaschine, die er in seiner Jugend gewesen war; der Militärdienst in Afghanistan war lange her. Vielleicht hatte der Fremde das begriffen; vielleicht war ihm klar, dass Pugachov keine ernsthafte Bedrohung für ihn war, und er würde ihn gehen lassen.
»Ich fürchte, Sie haben gerade einen großen Fehler gemacht, mein Freund.«
Pugachov hob den Kopf und sah einen sehr viel jüngeren Mann, als er erwartet hatte. Er hatte außergewöhnlich blaue Augen, beinahe feminin in ihrer Schönheit. Es war, als gingen scharfe, helle Lichtstrahlen von ihnen aus.
Er hatte wenig Zeit, sie zu betrachten, denn die Sicht wurde ihm versperrt – von der Mündung eines Schalldämpfers, der genau zwischen seine Augen zielte.
35
SONNTAG, 4.14 UHR, SAG HARBOR, NEW YORK
TC stand stocksteif da und starrte Will an. Das Geräusch war zu regelmäßig für die Musik, die ein altes Haus machen konnte, das Knarren von betagtem Holzwerk. Kein Zweifel, es waren Schritte,
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