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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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weiß es noch: Diese Typen waren unglaublich. Sie konnten sich einen dreistündigen Vortrag des Rebbe anhören und ihn dann auswendig hersagen. Sie hießen chazer, und das heißt ›Wiedergeber‹. Der Rebbe sagte etwas, sie spielten es ab. Menschliche Tonbandgeräte.«
    »Und, Toya Chaya, erinnern Sie sich noch, wer der brillanteste Chazer von allen war?«
    TC bekam große Augen, als eine alte Erinnerung erwachte. »Aber er war nur ein Junge.«
    »Das stimmt. Trotzdem wurde er gleich nach seiner Bar Mizwa ein Chazer. Er war dreizehn, als er anfing, die Worte des Rebbe wiederzugeben. Er besaß ein besonderes Talent.« Freilich sah Will an. »Wir sprechen von Josef Jitzhok.«
    »Er konnte ganze Vorträge hören und sie auswendig hersagen?«
    »Er sagte immer, das könne er nicht. Er könne es nur mit den Worten des Rebbe. Wenn der Rebbe sprach, ließ Josef sich selbst und seine eigenen Gedanken verschwinden. Er versuchte sich in den Kopf des Rebbe einzuschalten, eine Erweiterung des Rebbe zu werden. Das war seine Technik. Niemand konnte es so wie er. Und der Rebbe brachte ihm eine besondere Zuneigung entgegen.«
    Rabbi Freilich lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seine Trauer schien echt zu sein.
    »Wie gesagt, in den letzten Jahren sprach der Rebbe immer öfter von Moschiach. Er sagte, wir sollten uns auf die Ankunft des Messias vorbereiten, und erinnerte uns daran, dass der Glaube an den Messias ein Kernstück des jüdischen Glauben ist – kein entlegenes theologisches Abstraktum, sondern real. Wir sollten daran glauben: Moschiach könne im Hier und Jetzt bei uns sein.
    Niemand kannte diese Lehren des Rebbe besser als Josef Jitzhok. Er hörte sie Woche für Woche. Aber er hörte sie nicht nur, er absorbierte sie, er nahm sie in sich auf, machte sie zu einem Teil seiner selbst. Und dann, in den letzten Tagen des Rebbe, fiel ihm, Josef Jitzhok, der selbst ein herausragender Gelehrter war, etwas auf. Er dachte an all’ die Predigten, die der Rebbe über das messianische Zeitalter gehalten hatte, und er sah ein Muster darin. Sehr oft zitierte der Rebbe ein pasuk –«
    »Einen Vers.«
    »Danke, Tova Chaya. Ja, der Rebbe zitierte einen Vers aus Deuteronomium. Zedek, zedek tirdof.«
    »Nach Gerechtigkeit, Gerechtigkeit sollst du streben«, murmelte TC.
    »Die landläufige englische Übersetzung lautet: ›Folge der Gerechtigkeit und der Gerechtigkeit allein, auf dass du lebest und das Land besitzest, das der Herr dein Gott dir gibt.‹ Aber es war dieses Wort, zedek, das Josef Jitzhoks Aufmerksamkeit erregte. Der Rebbe benutzte es so oft und immer im selben Zusammenhang – es war, als wolle er uns an etwas erinnern.«
    »Er wollte Sie an die Zaddikim erinnern. An die Gerechten.«
    »Das dachte Josef Jitzhok auch. Also las er die Texte des Rebbe noch einmal und studierte sie aufmerksam. Und da fand er noch etwas, etwas noch Faszinierenderes.«
    Will beugte sich vor und starrte den Rabbi durchdringend an.
    »In unmittelbarer Nähe des Zitats – zedek, zedek tirdof – fand sich ein weiteres Zitat. Nicht jedes Mal dasselbe, aber immer aus denselben beiden Quellen. Entweder zitierte der Rebbe aus dem Buch der Sprüche –«
    »Kapitel zehn?«
    »Ja, Mr. Monroe. Kapitel zehn. Ganz recht. Sie wussten das alles schon?«
    »Sagen wir, ich konnte es mir denken. Aber lassen Sie sich nicht unterbrechen. Bitte fahren Sie fort.«
    »Nun, also – entweder zitierte der Rebbe einen Vers aus dem Buch der Sprüche, oder er zitierte einen der Propheten, besonders gern Jesaja, Kapitel dreißig. Darüber nun geriet Josef Jitzhok in helle Aufregung. Denn Kabbalisten wissen etwas Wichtiges über Jesaja, Kapitel dreißig, Vers achtzehn. Der Vers endet mit lo, und das heißt ›auf ihn‹ auf Hebräisch. Der ganze Satz lautet etwa: ›Selig die, die da warten auf ihn.‹ Aber die eigentliche Bedeutung des Wortes –«
    »– liegt in seiner Schreibung.«
    »Tova Chaya ist schneller als ich. Das Wort lo besteht aus zwei Zeichen, Mr. Monroe. Lamed und Vav. Der numerische Wert ist sechsunddreißig. Nun war der Rebbe ein umsichtiger Sprecher. Nichts, was er sagte, war dem Zufall überlassen. Kein Zitat war einfach aus der Luft gegriffen. Josef Jitzhok war überzeugt, dass hier eine wohlüberlegte Absicht dahinter steckte.
    Also ging er jedes Transkript noch einmal durch. Und richtig, der Rebbe sprach von Zedek, und unmittelbar darauf zitierte er einen Vers aus einem der beiden Kapitel – und zwar fünfunddreißigmal. So hinterließ er

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