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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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einzurichten. Was verstand er denn von solchen Dingen? Er war Schneider! Kein Arzt, kein Beamter. Aber er sah, was los war. Kolonnen verzweifelter Menschen, oft lauter Kinder, zogen durch die Wüste auf der Suche nach Nahrung und Unterkunft. Sie berichteten, wie ein Dorf nach dem andern von den Janjaweed zerstört wurde, den Männern, die mordeten und brannten und vergewaltigten, während Regierungsflugzeuge am Himmel kreisten. Jemand hatte etwas tun müssen – und ohne je wirklich darüber nachzudenken, hatte er es getan.
    Mit ein paar Zelten hatte er angefangen; zwei davon hatte er auf seiner alten Singer-Nähmaschine zusammengeflickt. Er trug ein paar Äxte zusammen und gab sie den Männern, damit sie Feuerholz sammelten. Sie gaben sich Mühe. Einer, Abdul, wollte unbedingt helfen, aber die Verbrennungen an seinen Händen waren so schlimm, dass er keine Axt halten konnte. Mohammed sah es: Seine Hände waren so stark versengt, dass er sich nicht einmal die Tränen abwischen konnte.
    Trotzdem hackten sie genug Holz für ein Feuer, und als es brannte, war es ein Signal. Neue Flüchtlinge kamen.
    Inzwischen waren ein paar tausend Menschen hier; für eine genaue Zählung war keine Zeit. Sie bündelten ihre kärglichen Kräfte; die Leute waren Bauern, und was sich dem Boden hier abringen ließ, brachten sie irgendwie zum Wachsen. Aber es war niemals genug.
    Mohammed wusste, was sie brauchten: Hilfe von außen. In den paar Stunden Schlaf, die er jede Nacht bekommen konnte, träumte er, wie eines strahlenden Morgens ein Konvoi von weißen Lastwagen kam, beladen mit Getreidesäcken und Arzneimittelcontainern. Schon mit fünf solchen Lastwagen – ja, schon mit einem – könnte er so viele Menschenleben retten.
    In diesem Augenblick sah er die Scheinwerfer im abendlichen Dunkel, stark und gelb, und sie kamen auf ihn zu. Ihr Licht flimmerte durch den Hitzedunst. Sofort sprang Mohammed auf und ab und wedelte mit den Armen wie ein wild gewordener Signalmatrose. »Hier!«, schrie er. »Hier! Wir sind hier!«
    Der Lastwagen fuhr langsamer, und Mohammed konnte ihn jetzt besser erkennen. Das war kein Hilfsteam. In dem Wagen saßen nur zwei Männer. Sie stiegen aus.
    »Ich komme im Namen unseres Herrn Jesus Christus«, sagte der eine, und der andere übersetzte hastig.
    »Willkommen, willkommen.« Dankbar griff Mohammed mit beiden Händen nach seinen Besuchern.
    »Ich habe Lebensmittel und Medikamente auf dem Wagen. Haben Sie Leute, die alles abladen können?«
    Schon war eine neugierige Zuschauermenge zusammengekommen. Mohammed beauftragte zwei der kräftigeren Teenager, einen Jungen und ein Mädchen, die Kisten vom Laster zu laden. Dann rief er ein paar Männer zusammen, denen er vertraute, damit sie die Ladung bewachten: Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war ein Aufstand, eine Panik, verursacht durch Hunger und Verzweiflung.
    »Glauben Sie, wir können miteinander sprechen?«, fragte der Besucher. Mohammed antwortete mit einer Geste; er deutete auf eine leere Hütte. Der Mann folgte ihm mit einer schmalen dunklen Aktentasche unter dem Arm.
    »Ich habe lange gebraucht, um Sie zu finden, Sir. Sie sind doch der Verantwortliche hier, oder? Dieses Lager haben Sie gegründet?«
    »Ja.« Mohammed wusste nicht, ob er den Übersetzer oder seinen Boss ansehen sollte.
    »Und Sie haben alles allein gemacht? Niemand bezahlt Sie dafür? Sie arbeiten für keine Organisation? Sie tun das alles aus reiner Güte?«
    »Ja, aber das ist nicht wichtig. Ich bin nicht wichtig.«
    Der Besucher lächelte. »Gut.«
    »Die Menschen sterben hier«, sagte Mohammed. »Was können Sie ihnen geben, um ihnen zu helfen? Möglichst schnell?«
    Der Besucher lächelte wieder. »Oh, ich kann ihnen die größte Hilfe überhaupt versprechen. Und sie wird nicht lange auf sich warten lassen. Gar nicht lange.«
    Er ließ die beiden Schlösser seiner Aktentasche aufschnappen und holte eine Injektionsspritze heraus. »Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass es mir eine Ehre ist, Sie kennen zu lernen. Es ist eine Ehre, zu wissen, dass die Gerechten wahrhaft unter uns leben.«
    »Danke, aber ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Leider muss ich Ihnen das hier geben. Es ist wichtig, dass ein Mann wie Sie keine Schmerzen leidet. Keinen Schmerz, kein Leiden.«
    Plötzlich packte der Dolmetscher Mohammeds Arm und drückte ihn zu Boden. Mohammed wollte sich losreißen, aber er war zu schwach und der Fremde zu stark. Jetzt stand der Besucher über ihm und hielt die

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