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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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gelten. Ich kann nicht zulassen, dass Sie hier hereinstürmen, ganz gleich, wie heldenmütig, und versuchen, Ihre Frau zu retten.«
    »Dann geben Sie zu, dass Sie sie hier haben?«
    »Ich gebe gar nichts zu. Ich bestreite auch nichts. Das ist nicht der Sinn dessen, was ich Ihnen sagen will, Mr. Monroe. Will. Ich versuche Ihnen zu erklären, dass die üblichen Regeln in diesem Fall nicht gelten.«
    »Welche Regeln? In welchem Fall?«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen, Will, ich wünschte es wirklich. Aber ich kann es nicht.«
    Will wusste nicht, ob die Folter der letzten paar – waren es Stunden? Minuten? – ihn zermürbt hatte, oder ob er einfach erleichtert war, weil es zu Ende war, jedenfalls war er sicher, dass die Stimme des Rebbe verändert klang. Die Bedrohlichkeit war verschwunden; stattdessen lag eine Trauer darin, die er als Mitgefühl, vielleicht sogar Sympathie deutete. Das war lächerlich – der Mann war ein Folterer. Vermutlich funktionierte so diese merkwürdige Bindung zwischen Gefangenem und Wächter, die man als das Stockholm-Syndrom bezeichnete. Zuerst hatte er sich von dem Israeli abhängig gefühlt, als sei der ein Blindenhund und kein brutaler Gewalttäter, und jetzt entdeckte er die Menschlichkeit an seinem obersten Folterer. Eine irrationale Reaktion auf das Ende der Wasserbehandlung: Statt wütend zu sein, dass man ihm das alles angetan hatte, war er dem Rebbe dankbar, dass er damit aufgehört hatte. Das Stockholm-Syndrom, ein klassischer Fall.
    Aber Will hielt sich für einen guten Menschenkenner. Er hatte immer einen guten Blick für Charaktere gehabt, und er war sicher, dass er jetzt etwas Aufrichtiges in dieser Stimme hörte. Im Vertrauen auf diese Ahnung sagte er: »Ich habe das Recht, mehr zu wissen. Ist meine Frau in Sicherheit? Ist sie … unverletzt?« Er brachte die eigentliche Frage nicht über die Lippen – Ist sie am Leben? –, weniger aus Angst vor der Reaktion des Mannes, als vielmehr vor seiner eigenen. Er fürchtete, seine Stimme könnte brechen und er könnte eine Schwäche zeigen, die er bis jetzt verborgen gehalten hatte.
    »Das ist eine berechtigte Frage, Will. Ja, sie ist in Sicherheit – und sie wird es bleiben, solange niemand etwas Unbedachtes oder Dummes tut. Mit ›niemand‹ meine ich vor allem Sie, Will. Und mit Hinbedacht und dumm‹ meine ich vor allem die Polizei mit einzubeziehen. Sie würde alles verderben, und dann kann ich für niemandes Sicherheit garantieren.«
    »Aber ich verstehe nicht, was Sie von meiner Frau wollen. Was hat sie Ihnen getan? Warum lassen Sie sie nicht einfach gehen?«
    Das hatte er nicht gewollt, aber sein Mund hatte ihm die Entscheidung abgenommen: Er flehte.
    »Sie hat weder uns noch sonst jemandem etwas getan, aber wir können sie nicht gehen lassen. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nichts weiter sagen kann. Ich kann mir vorstellen, wie schwer das alles für Sie sein muss.«
    Mit diesem letzten Satz hatte der Rebbe einen Fehler gemacht. Will spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht strömte, und die Adern an seinem Hals schwollen an.
    »Nein, Sie können sich verdammt nochmal NICHT vorstellen, wie schwer das ist! Ihre Frau ist nicht entführt worden! Sie sind nicht gepackt und mit verbundenen Augen in eiskaltes Wasser getaucht und mit dem Tode bedroht worden, von Leuten, die Ihnen nicht mal ihr Gesicht zeigen! Also erzählen Sie mir nicht, dass Sie sich irgendwas vorstellen können. Einen Scheißdreck können Sie sich vorstellen!«
    Zvi Jehuda und Mosche Menachem hätten beinahe einen Satz rückwärts gemacht; sie waren über seinen Ausbruch ebenso erschrocken wie er selbst. Aber der Zorn hatte sich in ihm zusammengebraut, seit er nach Crown Heights gekommen war – tatsächlich sogar schon lange vorher. Seit die Nachricht auf dem Display seines Blackberry erschienen war: Wir haben Ihre Frau.
    »Sie sagen, wir sollen offen miteinander sprechen. Wie wär’s denn mit ein paar offenen Worten? Was zum Teufel soll das alles?«
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen.« Die Stimme klang sanfter denn je, beinahe bedrückt. »Aber die Sache, um die es geht, ist größer, als Sie es sich vorstellen können.«
    »Das ist doch lächerlich. Beth ist Psychiaterin. Sie kümmert sich um Kinder, die nicht sprechen, und um Mädchen, die sich zu Tode hungern wollen. Was kann sie mit irgendeiner großen Sache zu tun haben? Sie lügen.«
    »Ich sage Ihnen die Wahrheit, Will. Das Schicksal Ihrer Frau hängt von etwas ab, das sehr viel größer

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