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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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Sie jetzt.«
    Dieser Josef Jitzhok wirkte sehr aufgeregt. »Vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe. Schauen Sie sich Ihre Arbeit an.«

20
    FREITAG, 23.35 UHR, BROOKLYN
    Nie war er dankbarer für Toms exzentrische soziale Gewohnheiten gewesen. Die meisten seiner unverheirateten Altersgenossen wären spät am Freitagabend unterwegs auf der Piste gewesen, aber Tom war zu Hause und hatte nach dem ersten Telefonklingeln abgenommen. Es war seine Idee gewesen, dass Will, der durch die Straßen von Crown Hights irrte und die nächste U-Bahn-Station suchte, sich ein Taxi nehmen und zu ihm in die Wohnung kommen sollte.
    Jetzt lag er auf Toms Sofa; er war todmüde, und nur eine fieberhafte Erregung hielt ihn wach. Er war in drei dicke Badelaken gewickelt; Tom hatte ihn in die Dusche geschoben, sowie er zur Tür hereingekommen war, damit sein Freund keine fiebrige Erkältung oder gar eine Lungenentzündung bekäme. Er wusste, dass sie jetzt keine Zeit mit Krankheit verschwenden durften.
    Will gab sich große Mühe, ihm zu erzählen, was passiert war, aber das meiste davon war so bizarr, dass es unbegreiflich schien. Außerdem redete er wie jemand, der gerade aufgewacht war und versuchte, sich an einen Traum zu erinnern: Immer neue Details, Personen, Beschreibungen und Sätze kamen ihm in den Sinn. Nur wenig davon war so normal, dass Tom sich daran orientieren konnte, und so bemühte er sich bald gar nicht mehr, irgendeinen Sinn in das zu bringen, was er hörte. Bärtige Männer, ein knapp vermiedener Tod durch Ertrinken, ein Schild, das Frauen anwies, ihre Ellenbogen zu bedecken, ein unsichtbarer Inquisitor, ein Anführer, der als Messias verehrt wurde, eine Vorschrift, die es den Menschen für vierundzwanzig Stunden verbot, auch nur ihre Schlüssel bei sich zu tragen. Er fragte sich, ob Will überhaupt wirklich in Crown Heights gewesen war – oder nicht vielleicht eher im East Village, wo er sich eine besonders große Dosis LSD besorgt hatte, um damit auf einen der surrealeren Trips in der jüngeren Geschichte der Halluzinogene zu gehen.
    Ziemlich unwiderstehlich war der Drang, zu sagen: »Hab ich’s dir nicht gesagt?« Denn genau dies hatte Tom befürchtet: dass Will unvorbereitet und von Sinnen vor Sorge nach Crown Heights stürmte und wie ein Trottel seinen Feinden in die Arme lief.
    Aber Will erwartete nicht nur, dass Tom seinem Bericht über die letzten verwirrenden Stunden folgen konnte, er wollte auch, dass er ihm half, seine Erlebnisse zu deuten. Was sollte der Verweis auf seine Arbeit bedeuten? Was meinte der Rebbe mit einer »uralten Geschichte«? Wieso sprach er davon, Leben zu retten? Und warum hatte er nur noch vier Tage Zeit?
    »Will«, sagte Tom, nachdem sein Freund fast eine Viertelstunde lang ununterbrochen geredet hatte. »Will.« Aber der Redeschwall war nicht zu bremsen. Schließlich musste er gegen seine eigene eiserne Regel verstoßen und die Stimme erheben. »WILL!« Endlich war er still. »Will, die Sache ist zu ernst, als dass wir weiter wie zwei Amateure herumkaspern dürfen. Wir brauchen fachmännische Hilfe.«
    »Was denn – die Polizei?«
    »Na ja, wir sollten darüber nachdenken.«
    »Scheiße, natürlich hab ich darüber nachgedacht, als ich mit dem Kopf im Eiswasser steckte. Aber ich kann das nicht riskieren. Ich hab diese Leute erlebt, Tom. Die waren bereit, mich umzubringen, auf eine bloße Vermutung hin. Weil ich keinen Sender am Leibe trug, und weil ich nicht beschnitten bin. Wegen irgendwelcher Verrücktheiten. Sie wollten mich ersäufen, und der Kerl hat mir eine vollständige theologische Rechtfertigung dafür geliefert – lauter Zeug über Peking nie-fesch oder was weiß ich. Im Wesentlichen ging’s darum, dass man jemandem das Leben nehmen darf, wenn man damit Leben rettet – und derjenige, dem sie heute Abend mal das Leben nehmen wollten, war eben ich. Und vielleicht noch Beth. Deshalb – ja, ich hab dran gedacht, aber ich glaube, das Risiko ist zu groß. Das haben sie von Anfang an gesagt: Wenn ich zur Polizei gehe, ist sie nicht mehr sicher. Und jetzt, nachdem ich sie gesehen – oder nicht gesehen – habe, bin ich überzeugt, dass sie es ernst meinen. Das sind ernsthafte Leute. Sie spielen nicht rum.«
    »Okay, dann brauchen wir andere Hilfe.«
    »Von wem zum Beispiel?«
    »Von Juden zum Beispiel.«
    »Was?«
    »Wir müssen uns mit einem Juden unterhalten, für den das, was du gesehen und gehört hast, wenigstens halbwegs Sinn ergibt. Wir wissen nichts. Wir haben nur das,

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