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Die Gerüchteköchin

Die Gerüchteköchin

Titel: Die Gerüchteköchin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Crusie
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Ungebeten, deutlich und immer noch scharf stieg die Erinnerung an die Grundschule in ihm hoch, die Anna beim Abendessen heraufbeschworen hatte.
    Es war die letzte Schulwoche am Ende der fünften Klasse gewesen, auf dem staubigen Spielplatz der Grundschule Harold G. Troop. In der Erinnerung konnte C.L. den Staub in der Luft und das Blut in seinem Mund schmecken. Er hatte eben Pete Murphy verprügelt, weil der ihn als Arschgesicht bezeichnet hatte, und er war gerade dabei zu verduften, zwar in der Gewissheit, dass Mrs. Widdington ihn bestimmt erwischen würde, aber nichtsdestotrotz weglaufend mit der vagen Hoffnung, dass sie es vor dem Läuten zum Pausenende vergessen haben würde. Er lief um die Ecke, um sich hinter den schwarzen Feuerleitern aus Eisen zu verstecken, und sah sich plötzlich mit Maddie Martindale konfrontiert, einer dieser dummen Gänse aus der sechsten Klasse, die sich für so irrsinnig toll hielten. Er wollte verduften, blieb dann aber gegen seinen Willen wie angewurzelt stehen.
    Sie saß etwa sechs Stufen hoch auf einer der Feuerleitern und sah aus wie ein Bild aus dem Sears-Katalog. Ihr Haar war mit einem dicken roten Band zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sie trug ein rotkariertes Kleid mit einem breiten weißen Kragen, so weiß, dass er in der Sonne leuchtete. C.L. wusste noch, dass er sich das Blut mit dem Handrücken vom Mund wischte, während er mit der anderen Hand über sein zerrissenes T-Shirt strich, um den Dreck ein bisschen wegzureiben. Seine Hände waren von der Prügelei so schmutzig, dass sein T-Shirt nur noch schlimmer aussah, und er lenkte seinen Blick davon auf ihre Hände, deren Fingernägel in dem gleichen hellen Rot wie das ihres Kleides lackiert waren. Da war ihm klargeworden, dass irgend etwas nicht stimmte, weil sie den Lack von ihrem rechten Daumennagel abkratzte, so dass er, rote Flecken hinterlassend, abgefressen aussah.
    »Was ist los mit dir?« hatte er wissen wollen und seine Hände diesmal an der Hose gerieben, beschämt wegen seiner eigenen schmutzigen Erscheinung und wütend darüber, dass er sich schämte.
    Mit trockenen, geschwollenen Augen hob sie ihren Blick und sagte: »Mein Daddy ist gestorben.«
    Sogar für C.L., den König der Alles-egal-Einstellung, war dies bedeutend. Sein Daddy war nämlich auch vor langer Zeit gestorben, vor so langer Zeit, dass er sich nicht daran erinnern konnte.
    »Wann?« fragte er, und sie sagte:
    »Am Dienstag.«
    Er zählte zurück. Es war Montag. Sechs Tage also. »Das ist schlimm«, meinte er zu ihr, und da er spürte, dass er vielleicht noch mehr sagen sollte, fügte er hinzu: »Tut mir leid.«
    Sie nickte und fuhr fort, ihren Nagellack abzukratzen, und er wurde von dem Bedürfnis ergriffen, mehr zu tun.
    Sie war so anrührend makellos, dass man sie einfach trösten musste. Schnell steckte er seine Hände in die Taschen, aber das einzige, was er fand, war ein verbogener Streifen Kaugummi. Juicy Fruit. Sogar das gelbe Einwickelpapier war dreckig.
    Er hob den Blick und sah, wie sie ihn beobachtete. »Hier«, sagte er und gab ihr den Kaugummi.
    Vorsichtig nahm sie ihn entgegen, und er sah so schmutzig in ihren Fingern aus, dass er ihn beinahe wieder an sich gerissen hätte und weggelaufen wäre. Aber bevor er sich rühren konnte, wickelte sie ihn aus, zuerst das gelbe Papier und dann die Alufolie, die sie sorgfältig von dem klebrigen Kaugummi löste. Dann brach sie den Streifen in der Mitte durch und bot ihm die Hälfte an.
    Er schluckte den Kloß hinunter, der ihm unerklärlicherweise im Halse steckte, und griff nach dem Stück. Als sie auf der Feuerleiter ein wenig beiseite rutschte, setzte er sich neben sie, darauf achtend, dass sein schmutziges T-Shirt nicht ihren Ärmel berührte. Im Sonnenlicht aßen sie gemeinsam den Kaugummi.
    Das war vermutlich der glücklichste Moment in seinem damals zehnjährigen Leben gewesen.
    Da erschien Mrs. Widdington um die Ecke der Feuerleiter und brüllte: »C.L. Sturgis -«, um sofort abzubrechen, als sie sah, wer bei ihm saß. »Hallo, Madeline«, sagte sie mit leiser und sanfter Stimme. »Wie geht es dir?«
    »Gut«, erwiderte Maddie.
    »Ja, das ist schön.« Die alte Widdy machte einen Moment einen ziemlich dämlichen Eindruck, bevor sie sich erneut ihm zuwandte. »Und du kommst mit, mein Freund«, sagte sie mit mordlustiger Stimme.
    Er zog in Betracht wegzulaufen, schob diesen Gedanken dann allerdings beiseite. Schließlich sah Maddie zu. Immer noch darauf bedacht, sie nicht zu

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