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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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so fest, dass Geraldine den Kopf nicht wegdrehen konnte.
    »Du solltest mal was mit deinen Haaren machen«, sagte er zu ihr. »Mit der Frisur siehst du aus wie ein Ackergaul.«
    Dienstagnachmittags erhielt Blade nach der Schule Kunstunterricht von Isadora Priest, die Kunst als Hauptfach und Pädagogik als Nebenfach studiert hatte und einen Blick für künstlerisches Talent besaß. Isadora war dreiundsechzig und gab manchmal Vertretungsstunden in Emerson, wenn einer der fest angestellten Lehrer krank war. Als sie zum ersten Mal ein Kunstwerk von Blade gesehen hatte, hatte Isadora geglaubt, einen Diamanten in einem Rübenbeet gefunden zu haben. Sie hatte die Entdeckung bei einem Rundgang durch die Klasse gemacht, bei dem sie eigentlich kontrollieren wollte, ob alle Kinder ihre Übungswörter auch zwanzig Mal schrieben. Blade, so hatte sie festgestellt, tat das nicht, sondern malte. Nachdem sie sein Heft konfisziert hatte, war ihr auch klar, warum die Rechtschreibung des Jungen so schlecht war. Der Menge der Zeichnungen in dem Heft nach zu urteilen konnte er kaum Zeit aufgewendet haben, um das Buchstabieren zu üben.
    Isadora arbeitete nur bei Bedarf und telefonierte nicht unbedingt gerne. Also tauchte sie am nächsten Tag einfach in Callas Laden auf und erklärte Willadee stolz, der Junge habe ein »gutes Auge«. Als ihr bewusst wurde, was die Worte für Assoziationen auslösten, korrigierte sie sich schnell und sagte, er besitze ein so künstlerisches Talent, wie man es nicht alle Tage anträfe.
    »Es ist so, als würde alles, was er sieht, durch sein Auge hineingehen und an seiner Hand wieder herauskommen«, sagte sie und fügte hinzu, sie würde gern mit ihm arbeiten und Dienstagnachmittag würde ihr gut passen. Sie könne Blade von der Schule abholen und ihn mit zu sich nach Hause nehmen. Der Unterricht dort würde dann etwa eine Stunde dauern, und Willadee könnte ihn anschließend mit dem Auto von ihr abholen.
    Willadee fragte, ob sie denn schon darüber nachgedacht hätte, wie viel der Unterricht kosten würde, und das hatte Isadora in der Tat. Er würde kostenlos sein. Willadee diskutierte noch einige Zeit mit ihr darüber, bis Isadora schließlich zugab, dass ein halber Liter Whiskey aus dem »Never Closes« pro Monat ihr entgegenkommen würde. Sie habe einfach nicht den Mut, sich selbst welchen zu kaufen, obwohl er doch so vielseitig verwendbar sei.
    Also war auch das geregelt.
    Von nun an ging Blade jeden Dienstagnachmittag mit Isadora zu ihr nach Hause, und Willadee holte ihn später mit dem Wagen ab. Das bedeutete, dass sie, kurz nachdem die anderen Kinder mit dem Schulbus zurückgekommen waren, das Haus verlassen musste. Bei Isadora ließ sie sich immer ein bisschen Zeit, war aber selten länger als eine Dreiviertelstunde fort.
    Einen Tag nachdem Ras im Laden aufgetaucht war, wollte Willadee wie immer Blade bei Isadora abholen. Swan sah ihr hinterher und winkte ihr von der Veranda aus zu, als sie wegfuhr. Auch Samuel winkte vom Feld herüber, nur Toy winkte nicht, weil er gerade im Schuppen schlief. Calla hatte eine Kundin im Laden, blickte aber auf, als Willadee vom Hof fuhr, und sagte zu der Frau, die sie gerade bediente: »Willadee fährt Blade abholen.«
    Ras Ballenger sah Willadee von seinem Versteck am Waldrand aus die Farm verlassen. Er hockte dort mit einem Jutesack in der Hand.
    Er blickte zu dem verrückten Feld hinüber, wie die Leute in der Gegend Samuels Farmprojekt mittlerweile nannten. Samuel schob gerade eine Schubkarre voller Dünger aus dem Kälberpferch zu einer Stelle, wo er ein weiteres Stück Land umgepflügt hatte. Seine beiden Söhne kamen aus dem Haus und trotteten zu ihm hinüber. Keiner von ihnen merkte, dass sie beobachtet wurden.
    Unauffällig schlich sich Ras von hinten an den Hof der Moses an. Von Dickicht zu Dickicht bis zum Zaun und von dort zu den Außengebäuden. Hinter dem Hühnerstall öffnete er den Jutesack und ließ dessen Inhalt frei.

37
    Bevor sie Blade abholte, hatte Willadee bereits mit den Vorbereitungen für das Abendessen begonnen und Swan gebeten aufzupassen, dass nichts anbrannte oder überkochte. Also drehte Swan nun alle Flammen herunter und ging hinaus, um ihre einzige regelmäßige Aufgabe zu erledigen – die Hühner zu füttern.
    Swan mochte keine Hühner, bis auf die Küken, von denen es im Augenblick aber keine gab. Nur einige griesgrämige alte Hennen und der fiese gefleckte Hahn, der Sporen wie Nägel hatte, mussten gefüttert werden. Swan ging

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