Die Gesellschaft des Abendsterns
einer Gestalt, die langsam über die Lichtung ging.
Wer war das? Er war groß. War es einer von Vanessas Kobolden? Nein, es war Tanu!
Seth stürzte aus seinem Versteck hervor und rannte auf die Lichtung. Tanu schlurfte weiter dahin, ohne Seth wahrzunehmen. Seth lief auf Tanu zu und starrte ihn erstaunt an. Es war eine Sache, Warren und Coulter als Albinos zu sehen. Bei dem großen Samoaner, dessen Haut so dunkel gewesen
war, war es etwas ganz anderes. Unter dem geisterhaften Mondlicht sahen seine bleiche Haut und sein weißes Haar entsetzlich aus.
»He, Tanu«, sagte Seth. »Hörst du mich?«
Der große Samoaner trottete wie in Zeitlupe weiter und ließ mit nichts erkennen, dass er Seth wahrnahm. Seth drehte sich zu Mendigo um. Er fand den Gedanken grässlich, Tanu allein durch den Wald laufen zu lassen, aber Warren hatte es auch bis zum Haus geschafft, nachdem er zum Albino geworden war, und Tanu schien ebenfalls in diese Richtung zu gehen.
Tatsache war, die Zeit war zu knapp und seine Mission zu wichtig, als dass Seth im Augenblick viel für Tanu hätte tun können. Kendra war in der Hütte so gut wie schutzlos. Er musste in den Hain gehen und Mendigo zu ihr zurückschicken.
»Mendigo, komm her und hol mich. Wir müssen weiter zu dem Tal mit den vier Hügeln. Lauf, so schnell du kannst.« Mendigo kam auf ihn zugerannt, und Seth kletterte auf seinen Rücken. Die Marionette begann zu laufen. »Aber wenn wir in die Nähe von irgendwelchen anderen Kobolden oder Menschen kommen, weise mich trotzdem wieder auf sie hin, ohne uns zu verraten.«
Seth blickte über die Schulter zu Tanu hinüber, der über die Lichtung stapfte. Wenn er so weitermachte, würde er das Haus erst in ein oder zwei Tagen erreichen, selbst wenn er die ganze Zeit über in die richtige Richtung ging. Hoffentlich würde bis dahin alles geklärt sein.
Einmal mehr jagte Mendigo mit Seth durch die Dunkelheit. Seth hatte das Gefühl, dass Hugo sie schneller zu dem Tal gebracht hatte. Gerade als er die Hoffnung beinahe aufgab, dass sie den Hain jemals erreichen würden, traten sie aus einer dichten Baumgruppe heraus, und Seth stellte fest,
dass sie sich in dem von Gestrüpp überwucherten und von den vertrauten vier Hügeln umgebenen Tal befanden.
Mendigo verlangsamte seinen Schritt. »Mendigo, bring mich in den Hain an dem Ende des Tals«, sagte Seth und deutete auf ihr Ziel. Mendigo lief weiter. »So schnell du kannst.« Mendigo wurde schneller.
Während der Hain immer näher kam, dachte Seth darüber nach, was er sich eigentlich von dem Muttrank erhoffte. Der Angsttrank hatte ihn mit großer Furcht erfüllt, aber das war nur ein leichtes Schaudern gewesen, verglichen mit dem Grauen, das der Wiedergänger verströmt hatte. Natürlich hatte er nur ein oder zwei Tropfen von dem Angsttrank zu sich genommen, und der Trank war mit anderen Zutaten verwässert gewesen. Er würde eine viel größere Dosis puren Mutes trinken und die Flasche mitnehmen, so dass er im Notfall Nachschub hatte.
Mendigo blieb am Rand des Hains stehen. Seth schätze, dass es ungefähr dieselbe Stelle war, an der Hugo Halt gemacht hatte. »Mendigo, nur noch ein paar Schritte näher an die Bäume heran«, drängte Seth.
Die Marionette machte mehrere Schritte, ohne sich vorwärtszubewegen. Mendigo trat auf der Stelle. Seth kletterte hinunter auf den Boden. »Mendigo, geh in den Hain.« Die Stockpuppe schien zu versuchen, seinen Befehl in die Tat umzusetzen, kam aber kein Stückchen vorwärts.
»Vergiss es, Mendigo. Gib mir den Schlüssel und den Trank.« Die Marionette gehorchte. »Mendigo, kehre, so schnell du kannst, zu Kendra zurück.« Mendigo lief davon, also rief Seth, die Hände trichterförmig um den Mund gelegt, seine letzten Anweisungen hinter ihm her. »Wenn sie nicht in der Hütte ist, oder wenn sie in Schwierigkeiten steckt, rette sie. Verletze ihre Feinde, wenn sie versuchen, dich aufzuhalten. Gehorche ihr!«
Bevor Mendigo außer Sicht war, wandte Seth sich wieder dem Hain zu. Mit dem Mond- und Sternenlicht war es heller als bei seinem letzten Besuch. Trotzdem knipste er die Taschenlampe an. Sie war etwas schwächer als die, die Coulter benutzt hatte, aber es machte dennoch einiges aus.
Alleine in der Dunkelheit zu stehen und seine fahle Taschenlampe auf die bedrohlichen Bäume und ihre verzerrten Schatten zu richten, war nicht gerade gut für seine Moral. Seth dachte daran, wie sicher Kendra gewesen war, dass er scheitern würde, und jetzt, mutterseelenallein
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