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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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und einen Salon. Im Salon saß eine kleine Puppe, die ein blaues Kleid anhatte. Sie hieß Mimmi. Peter zielte mit seiner Platzpatronenpistole auf Mimmi und schrie wieder: ›Im Wald sind keine Räu-be-e-er!‹ Da stand Mimmi von ihrem Stuhl auf und ging auf Peter zu. ›Da hast du aber gelogen‹, sagte sie. ›Im Wald sind doch Räuber.‹«
    Bei jedem Räubersatz trat ihr das Mädchen rhythmisch gegen den blauen Fleck am Schienbein. Es kannte die Geschichte wohl schon. Das lenkte Rosa von den Gedanken an ihren Sohn ab. Trotzdem schlüpfte eine winzige Frage durch. Wie ging es ihm in der Schule? Tat er sich leicht? Machte ihm das Lernen Spaß und hatte er Freunde gefunden? Sie hatte ihm viel zu wenig vorgelesen, war oft erleichtert gewesen, wenn er beim Warten, bis sie Zeit gefunden hatte, zu ihm ans Bett zu kommen, eingeschlafen war. Kein Schmerz tilgte all die verlorene Zeit.
    Das Mädchen hatte offenbar genug, es rutschte von ihrem Schoß und warf dabei den Bücherstapel um.
    »Sind da auch Räuber drin?«, fragte es und deutete auf ein Fahndungsplakat der RAF -Terroristen in einem aufgeschlagenen Buch.
    Anfang des neuen Jahrtausends besuchte Rosa mit Gaby zusammen eine Fortbildung; die Kasse und das Sortiment sollten auf Computer umgestellt werden. Das neue Gerät faszinierte Rosa. Das Gelernte übte sie in der Bücherei, wo sie auch gerade einen Rechner angeschafft hatten, sogar mit Internetanschluss. Mit klopfendem Herzen tippte sie ihren Namen in die Suchmaske und las ihre Todesanzeige.

52.
    »Das hebt die Stimmung im ganzen Dezernat«, Frau Kirchleitner, Mattes Kollegin im Präsidium, grinste. »Ihr Vater war die letzten zwei Jahre ungenießbar. Wir haben schon für eine Reise nach Mexiko gesammelt.«
    Als Erstes gingen sie in Mattes Büro. Für einen Moment musterte Carina wehmütig ihre Spielecke, in der jetzt eine große Palme stand. Die war genauso alt wie sie, nur etwas staubig. Matte loggte sich in die BKA -Datenbank ein und klickte sich zur Vermisstenanzeige Rosa Salbeck. Unter ihren gesammelten Lebensdaten fand sich auch ihre Einstufung als sogenannte »Romeo«-Agentin, eine Westspionin, die im Innenministerium aus Liebe für einen Ostagenten wichtige Dokumente kopiert, fotografiert oder auch gestohlen hatte. Gerade hatte ihre Enttarnung unmittelbar bevorgestanden, da sei sie abgetaucht, hieß es, um dann im April 1997 als Wasserleiche buchstäblich wieder aufzutauchen.
    »Ein Doppelleben also«, Carina staunte. Sandros Skulptur fiel ihr wieder ein. Außen Mensch und innen Hund, oder war es umgekehrt gewesen? Matte schenkte ihnen ein Spezi ein und kramte eine ungeöffnete Schachtel Kekse aus einer Schublade. Sie las weiter. Die Verhaftung hatte man hinausgezögert, um an den Drahtzieher, den Stasi-Agenten zu gelangen. Wegen der Amnestiegesetze sei er zwar nicht mehr zu verurteilen, aber die Dokumente könnten wiederbeschafft werden. Um welche Inhalte es da genau ging, stand nicht in der Datei. Nur das Stichwort »K 106«.
    »Das war so eine Maßnahme zur Terrorbekämpfung Anfang der achtziger Jahre, um gefährdete Personen, hauptsächlich Politiker, zu schützen«, erklärte ihr Vater und bröselte mit einem Keks die Tastatur voll. »Hat aber nicht funktioniert, wie man an dem bis heute unaufgeklärten Herrhausen-Fall und einigen anderen Morden, die der dritten Generation der RAF zugeschrieben werden, sehen kann.«
    »Herrhausen, wer war das nochmal?«
    »Der Chef der Deutschen Bank, damals einer der mächtigsten Männer Deutschlands. Nachdem er auf dem Weltwirtschaftsgipfel mit dem mexikanischen Präsidenten gesprochen hatte, schlug er, zurück in Deutschland, einen Schuldenerlass der Entwicklungsländer vor und machte sich damit bestimmt viele zu Feinden. Seine Ermordung ist bis heute nicht aufgeklärt.« Ihr Vater klickte im Internet auf einige Fotos. Das gepanzerte Mercedeswrack, oder was davon noch übrig war. Im Vordergrund sperrte ein Polizeibeamter mit einem rot-weißen Band die Straße ab. Matte setzte sich die Lesebrille auf die Nasenspitze. »Das gibt’s doch nicht.« Zusätzlich zog er, ganz Kommissar, eine große Lupe aus der oberen Schublade seines Schreibtisches. »Kennst du den hier.« Er zeigte auf einen Mann, der hinter dem Leibwächterwagen stand. Er hatte das Gesicht von der Kamera weggedreht, nur ein Stück seines Halses lugte aus der schwarzen Jacke, die er trug. Ein Stück Rot. Ein Feuermal. Krallinger.
    »Dann war er einer der Ermittler vor Ort?«
    Matte nahm seine Brille ab

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