Die Gewürzhändlerin
es ja immerhin wieder ganz passabel. Es wird ihm guttun, zumindest seinen Verstand etwas anzustrengen. Auch Alban wird dir wie immer zur Seite stehen.»
Als er sich zum Gehen wenden wollte, hielt Luzia ihn am Ärmel seines Mantels zurück. «Warte!»
Die Atemlosigkeit in ihrer Stimme ließ ihn aufmerken.
Luzia biss sich auf die Lippen, blickte ihn unsicher an und sah dann auf das Kruzifix nieder. Entschlossen zog sie sich die Kette über den Kopf, löste sie aus der Öse des Kreuzrahmens und reichte sie Martin. «Bitte, nimm sie mit.»
Verblüfft starrte Martin auf die Kette. Zögernd nahm er sie Luzia ab. «Wozu soll das gut sein?»
Luzia hob ein wenig ratlos die Schultern. «Ich weiß auch nicht. Aber ich glaube, ich fühle mich wohler, wenn du die Kette bei dir hast.» Als er sie nur unverwandt anblickte, senkte sie verlegen den Kopf. «Bitte», murmelte sie.
Als sich Martin ihrer offensichtlichen Sorge und Verlegenheit bewusst wurde, trat ein erfreutes Funkeln in seine Augen. Seine Stimme blieb jedoch neutral, als er sagte: «Also gut, wenn es dir so wichtig ist.» Er legte sich die Kette um und schob sie unter sein Wams, um sie vor neugierigen Blicken zu verbergen. «Zufrieden?»
Sie hob den Kopf wieder. «Ich, ah … ja.»
Er zwinkerte ihr zu. Wie gerne hätte er sie an sich gezogen, ihren Duft in sich aufgenommen, ihre Lippen noch einmal auf den seinen gespürt. Doch all das war hier und jetzt unmöglich. So nahm er nur kurz ihre linke Hand in seine Rechte und drückte sie kurz. «Auf bald, Luzia.»
Schweigend sah sie ihm nach, wie er sein Reittier bestieg, ihr und Alban noch einmal zuwinkte und dann, flankiert von Ludwig und Anton, in raschem Tab davonritt.
Nachdenklich blickte sie auf das Kruzifix. Hatte sie sich geirrt? War das Vibrieren nur eine Einbildung gewesen? Im Augenblick spürte sie gar nichts; das Kreuz lag einfach nur schwer und kühl in ihrer Hand.
Hinter ihr räusperte sich Alban. Rasch schob sie das Kruzifix in den kleinen Beutel, den sie am Gürtel trug, und wandte sich um.
«Wir sollten uns allmählich ebenfalls auf den Weg machen», stellte der Knecht fest. «Bis Sinzig sind es ein paar gute Stunden des Wegs.»
«Du hast recht, Alban.» Zusammen gingen sie zum Fuhrwerk, und Luzia ließ sich von ihm auf den Bock helfen. Sie warf einen letzten Blick auf den Hof ihrer Eltern. «Lass uns nach Hause fahren.»
* * *
In ihre Decke gekuschelt, lag Luzia in ihrem Bett und starrte in die spätabendliche Dunkelheit. Es war still im Haus, nicht einmal die Deckenbalken knarrten. Vielleicht kam ihr die Ruhe auch nur deshalb so merkwürdig vor, weil sie es nicht gewohnt war, das Haus allein zu bewohnen. Gewiss, Hilla, Josefa und die beiden Knechte waren noch da, aber Elisabeth, Johann und Enneleyn waren bereits kurz vor Luzias Reise zur Mantenburg aufgebrochen, um dort den Hochzeitsfeierlichkeiten von Jutta und Reinher von Heldweg beizuwohnen. Elisabeth hätte auch ihre Edelmagd gerne mitgenommen, doch Luzia hatte es vorgezogen, mit Martin nach Laach zu reiten. Und nun hatte Martin ihr die Verantwortung für sein Geschäft übertragen. Eine Tatsache, die Luzia zunächst einmal den Unmut Augustas eingehandelt hatte. Martins Mutter war alles andere als begeistert über die Nachricht gewesen, dass ihr Sohn nach Mainz aufgebrochen war und Luzia nun seine Geschäfte wieder einmal allein weiterführen sollte. Erst als Luzia ihr versichert hatte, sich in allen Belangen mit Konrad abzusprechen, war Augustas Argwohn einem unbestimmten Missmut gewichen, den Luzia nun bereits zur Genüge an ihr kannte.
Konrad freute sich indes, dass er Luzia hilfreich zur Seite stehen konnte, wenngleich er noch immer sehr schnell ermüdete und auch nur in seinem Bett sitzend an den Geschäften teilhaben konnte.
Sieben Tage waren seit ihrer Heimkehr vergangen, doch eine Nachricht aus Mainz hatten sie seither noch nicht bekommen. Je mehr Zeit verging, desto größer wurde Luzias Sorge um Martin. Immer wieder versuchte sie sich einzureden, dass sie völlig überzogen reagierte. Vielleicht war er sogar schon wieder auf dem Weg nach Koblenz und hatte deshalb darauf verzichtet, einen Boten zu schicken. Überhaupt war dies ja nicht seine erste Abwesenheit. Aber früher hatte sie sich nie derartige Gedanken um seinen Verbleib oder sein Wohlergehen gemacht.
Sie rieb sich über die Augen. Bis zu jenem Tag in Blasweiler hatte auch das Kruzifix nicht so seltsam vibriert. Sie konnte niemandem davon erzählen, auch nicht von dem
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