Die Gewürzhändlerin
verderben zu lassen. Sie ging auf die Suche nach Godewin, dem jungen, kräftigen Knecht, dessen Hände so groß wie Schaufeln waren und dessen schlammbraunes Haar stets unordentlich wirkte, weil sich auf seinem Kopf unzählige Wirbel tummelten. Nachdem sie ihn gefunden und ihm die Anweisung der Herrin mitgeteilt hatte, nahm er bereitwillig Luzia den größeren der beiden Körbe ab. Anschließend unterhielt er sie auf dem Weg zum Hospital mit seinem unerschöpflichen Vorrat an mehr oder weniger schlüpfrigen Witzen.
«Du könntest mit deinen Geschichten jedem fahrenden Gaukler Konkurrenz machen», sagte sie lächelnd, als sie vor der Eingangspforte des Hospitals stehen blieben.
Godewin grinste geschmeichelt. «Wirklich, meinst du?»
Luzia grinste zurück. «Ganz sicher. Glaub mir, ich habe einst eine Truppe von Gauklern persönlich gekannt. Deren Anführer, Heinrich hieß er, hätte dich vom Fleck weg mit auf die Reise genommen.»
«Du kennst eine Gauklertruppe? Woher das denn?» Godewin starrte sie verblüfft an. «Bist du etwa mit ihnen durch die Lande gezogen?»
Überrascht sah Luzia ihn an, dann lachte sie. «Ach Gott, nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?»
«Na, das wäre doch spannend gewesen», befand Godewin. «Und die Frau Elisabeth hat dich dann aus den Fängen der Gaukler befreit und in ihre Dienste genommen.»
Luzia verschluckte sich beinahe. Godewin schien an der Geschichte Gefallen zu finden. Rasch schüttelte sie den Kopf. «So ein Unsinn! Wir reden hier doch nicht von Räubern oder Wegelagerern, sondern von ganz harmlosen Schaustellern. Und natürlich hat Frau Elisabeth mich nicht vor ihnen erretten müssen. Du hast vielleicht eine blühende Phantasie!»
«Wie war es denn dann?», fragte der Knecht etwas enttäuscht.
Luzia pochte an die Pforte und wandte sich dann wieder Godewin zu. «Ganz einfach. Als ich damals mit Frau Elisabeth auf der Burg Kempenich lebte – damals war sie ja noch die Jungfer Elisabeth –, da kamen zufällig diese Gaukler auf die Burg, und Graf Simon, der Burgherr, hat ihnen erlaubt, ihr Winterlager bei ihm aufzuschlagen.»
«Das ist alles?» Nun war Godewin sichtlich enttäuscht.
Luzia zögerte, jedoch nur für einen Moment, dann nickte sie. «Das ist alles. Dennoch kann ich dir versichern, dass deine Sammlung an Geschichten Heinrich sicher sehr beeindruckt hätte.»
Da in diesem Moment die Pforte von einer Magd geöffnet wurde, kam Godewin nicht mehr dazu, etwas darauf zu antworten.
Luzia bat die Magd, sie beim Hospitalmeister zu melden, und folgte ihr dann, mit Godewin im Schlepptau, in den großen Hof des Hospitals.
* * *
Martin dachte auf dem Weg in die Judengasse noch eine Weile über die Worte seiner Mutter nach, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen. Da er momentan andere Probleme hatte als die Befindlichkeit seiner Mutter gegenüber Elisabeth von Mantens Leibmagd, konzentrierte er sich stattdessen auf die Gespräche mit den beiden jüdischen Geldverleihern, die ihm bevorstanden.
Zielstrebig überquerte er die kleine Brücke über den Graben, durchquerte die Danne und den unteren Teil des Florinshofes. Aus einer der Backstuben an der Einmündung zur Mehlgasse drang verführerischer Brotduft. Gerade trat eine ältliche Frau in abgetragenen Kleidern aus dem Gebäude. Sie trug einen großen gefüllten Sack vor sich her, dessen Umrisse darauf schließen ließen, dass er altbackenes Brot und Zwieback enthielt. Zwei struppige kleine Straßenköter tanzten bellend um sie herum, bis die Alte ihnen gutmütig ein paar Krumen zuwarf.
Martin schritt rasch voran, blickte sich aber dennoch neugierig um. In den vergangenen zwei Jahren hatte sich in Koblenz nicht viel verändert. Die bunt bemalten Fassaden der Häuser in der Schildergasse boten noch immer den gleichen fröhlichen Anblick. Sofort wurde dem Betrachter klar, dass hier die Maler ansässig waren. Martin betrat jedoch nicht die Schildergasse, sondern blieb auf der Holzschuhergasse, bis er zur Linken auf die Einmündung in die Judengasse stieß, in die er einbog.
Auch hier sah Martin sich aufmerksam um. Die Häuser waren fast alle gut in Schuss; viele Juden hatten während der Unruhen ihre Häuser an reiche Patrizier oder Kaufleute verkauft. An der alten jüdischen Badestube blätterte allerdings der Putz ab. Durch eines der Fenster bemerkte er Bewegung im Inneren, die Badestube wurde also noch benutzt. Vermutlich beschränkten sich die wenigen jüdischen Familien, die noch in Koblenz
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