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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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»Die Gerechtigkeit Roats«, murrte Hal. »Die Anleitung Roats.« Sie beobachtete erstaunt, wie sich Hal vor den vertrauten Altar kniete, und als sie es wagte, sich in der Kathedrale umzusehen, bildete sie sich fast ein, Bardo in den Schatten sitzen zu sehen.
    Natürlich war Bardo nicht da. Stattdessen wurde Ranis Aufmerksamkeit von Bashi angezogen. Der jüngere Prinz hatte es wie immer abgelehnt, seinem Bruder zu folgen. Während Hal vor dem kleinen Altar kniete und ein Gebet murmelte, schlenderte Bashi den Hauptgang der Kathedrale hinab, die königlichen Wächter hinter ihm, als wäre er ein Magnet, der das schwere Metall ihrer Brustharnische anzog.
    Ranis Aufmerksamkeit schoss zwischen den Prinzen hin und her. Hal senkte den Kopf auf den kalten Marmorrand von Roats Altar und flüsterte sehr leise Worte, während er die Hände vor der Stirn faltete. Gleichzeitig stieg Bashi die Stufen des Hauptpodests hinauf, nahm jeweils zwei Stufen auf einmal und schaute zu den Wächtern zurück, als führten sie alle eine Militärübung durch.
    Rani blickte unwillkürlich zu dem schicksalhaften Fenster des Verteidigers hinauf, zu der Glasarbeit, die Prinz Tuvashanoran den Tod und Ranis Gilde Schande gebracht hatte. Die Sonne stand fast im gleichen Winkel wie an jenem verhängnisvollen Tag. Rani konnte den Streifen kobaltblauen Lichts sehen, das Ausbilderin Morada geplant hatte. Sie konnte einen weiteren Prinzen im Netz der Glasmalerin verstrickt sehen.
    Sie trat einen Schritt vor, ein Schrei stieg ihr in die Kehle, aber bevor sie sprechen konnte, legte Hal eine Hand auf ihren Arm. Als wüsste er, dass sie Bardos Armreif trug, legten sich seine Finger unfehlbar um das Schlangenband und drückten das Metall ebenso fest zusammen, wie Larindolian es am Vorabend getan hatte. Die Bewegung war wirkungsvoll. Rani schluckte ihre Worte hinunter, bevor sie eine Chance hatte, Bashi vor der Gefahr zu warnen.
    Natürlich benötigte Bashi auch keine Warnung. Er stand einen Moment in dem kobaltblauen Licht, warf seinen Umhang zurück und ließ das azurblaue Sonnenlicht sein Haar, sein Gesicht, seinen ganzen Körper baden. Dann trat er aus dem Strahl heraus, während er dem Hauptaltar die ganze Zeit den Rücken zuwandte. Rani beobachtete, wie Prinz Bashanorandi mit seinen Wächtern scherzte, mit seinem Volk scherzte. Sie sah gebannt zu, wie er zum Hauptaltar trat und den goldenen Kelch emporhob, der auf einem schneeweißen Tuch stand.
    Der goldene Kelch, der die Gaben des Verteidigers an sein Volk symbolisierte… Prinz Tuvashanoran hatte aus diesem Kelch getrunken. König Shanoranvilli war der einzige lebende Mensch, der des Trinkens aus dem Kelch des Verteidigers würdig war.
    Und Bashi hob ihn an die Lippen.
    Die Soldaten schienen es nicht zu bemerken. Sie schlenderten in der Kathedrale umher, froh, dass sie sich in deren kühlem Inneren aufhalten konnten, dankbar, von den drängenden Menschenmengen befreit zu sein, die ihre Aufgabe so sehr erschwerten. Als einer von ihnen bemerkte, dass der junge Herr mit dem heiligen Kelch spielte, rief er nur etwas, und dann begannen die übrigen Soldaten den Prinzen aufzuziehen, scherzten mit ihm, verwandelten das Sakrileg in ein Spiel.
    Für Rani sprach diese mühelose Akzeptanz Bände. Es kümmerte die Soldaten nicht, wie ihr Anführer handelte. Sie würden ihren erwählten Herrn nicht in Frage stellen. Was auch immer Bashi tat – er tat es in Übereinstimmung mit seinem königlichen Anspruch, seinem Geburtsrecht. Die mühelose Kameraderie der Männer zeugte in der Tat von ihren Lehnsbindungen – sie waren immerhin nicht an das abstrakte Konzept des Hauses Jair gebunden. Sie waren Bashanorandis Männer. Sie dienten ihm, und nur ihm.
    Als Bashi den Kelch auf den Altar zurückstellte, schluckte Rani ein verbittertes Seufzen hinunter. Es war töricht von ihr gewesen zu glauben, Hal sei der verdächtige Prinz. Sie war von der Aufregung auf dem Marktplatz irregeleitet worden, vom Anblick einer verstümmelten Hand, eines blutigen Stumpfes. Rani erkannte nun im tiefsten Herzen, dass Bashi der Sohn war, den es nach der Macht gelüstete.
    Nun wandte sich Rani um und sah Hal sie mit merkwürdigem Blick beobachten, als könnte der Prinz ihre Gedanken lesen, könnte erkennen, dass sie ihn, wie kurz auch immer, verdächtigt hatte.
    »Das Licht trifft auf den Kelch«, bemerkte Hal. »Das Licht trifft auf den Kelch, der Kelch trifft auf die Sehne. Die Sehne ruft die Männer, die Männer bewachen den Prinzen.« Rani

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