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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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nickte, begriff die eigenartige Logik von Hals Singsang-Rätseln. »Die Männer bewachen den Prinzen, der Prinz ruft die Männer.«
    Hal erhob sich, und die Wächter nahmen ruckartig Haltung an. Sogar Bashi hörte auf, um den Altar herumzutollen und folgte seinem Bruder das Mittelschiff entlang und in den Palast zurück. Rani kämpfte gegen den Drang an, über die Schulter zu schauen, während sie die Kathedrale wieder einmal verließ. Sie hoffte immer noch, Bardo habe sich in den Schatten verborgen, habe Bashis Unverfrorenheit gesehen. Wäre Bardo Zeuge dessen gewesen, würde sie ihren Verdacht nicht einmal aussprechen müssen. Bardo würde den Verräter erkennen.
    Die königliche Prozession kehrte ohne Zwischenfälle in den Palast zurück, und die drei Schützlinge zogen sich ins Kinderzimmer zurück, um den Nachmittag mit Lesen, Lernen und Ruhen zu verbringen. Rani ignorierte ihre vermeintliche Gilde der Barden, ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen, Geschichten für die Prinzessinnen zu ersinnen oder sie aus ledergebundenen Bänden aus der königlichen Bibliothek vorzulesen. Stattdessen besorgte sie sich eine Schiefertafel und ein Stück Kreide und verbrachte die späten Nachmittagsstunden damit, die Bewohner des Kinderzimmers zu skizzieren.
    Sie zeichnete die Prinzen mit einem Gewirr kräftiger Linien, zwang die ruhelosen Körper der Jungen in Flächen, die leicht aus Glas herauszuschneiden wären, aus einer Distanz leicht zu erkennen wären. Rani glaubte zunächst, sie zeichne Porträts, aber sie erkannte, dass sie noch nicht die Fertigkeit besaß, die Jungen in einfachen Glasmalerlinien einzufangen. Je stärker sie es versuchte, desto enttäuschter wurde sie, bis sie schließlich alle ihre Fehler auswischte. Sie atmete tief ein, betete zu Lan um Geduld und begann erneut.
    Dieses Mal zogen sich die Linien auf der Schiefertafel wie von selbst, flossen aus der Kreide, als führe eine göttliche Macht ihre Hand. Als sie ihr »Porträt« von Hal beendet hatte, musste sie beinahe laut auflachen. Ein junger Löwe blickte sie von der Schiefertafel an, die Augen voll uralter Weisheit. Sie fügte mit wenigen Strichen eine Mähne hinzu, vollendete die katzenhafte Anmut. Halaravilli war vielleicht jung, aber sein Erbe war unverkennbar. Er war ein Prinz des Hauses Jair, und der königliche Löwe war sein Symbol.
    Aufgeregt über ihren Erfolg, Junge und Tier verschmolzen zu haben, wandte Rani ihre Aufmerksamkeit Bashi zu. Der jüngere Prinz saß auf der anderen Seite des Kinderzimmers, scherzte mit den Prinzessinnen und ignorierte seinen Lehrstoff. Als Rani sein Gesicht zu skizzieren begann, spürte sie erneut das überragende Selbstvertrauen, den leichten Fluss der Kreide auf dem Schiefer. Dieses Mal spähte jedoch kein Löwe von der Tafel empor. Als sie das Haar des Prinzen skizzierte, seine Augen einfing, seine Wangen einzeichnete, schaute sie der listige Blick eines Fuchses von der Schiefertafel an.
    Es war jedoch noch mehr an dem Porträt. Während Rani die kräftigen Linien betrachtete, erkannte sie, dass sie nur einen weiteren listigen Blick sah. Sie hatte diesen füchsischen Hunger schon zuvor gesehen. Wie um sich zu prüfen, dachte sie an die vorangegangene Nacht zurück, als sie den Aufruhr im Gang verursacht hatte. Dann erinnerte sie sich an ihre Begegnung in den schattigen Gängen der Stadtmauern. Ja, sie war blind gewesen, dass sie es nicht schon früher erkannt hatte.
    Der ganze Hof musste blind sein. Prinz Bashanorandis Züge waren eine jüngere, weichere Version Lord Larindolians.
    Plötzlich sank ein Schleier von Ranis Augen. Alles ergab nun Sinn – sie war eine Närrin, dass sie das Muster nicht früher erkannt hatte. Sie, die sich rühmte, Muster zu erkennen… Larindolian war aus den Räumen der Königin gekommen. Prinz Bashanorandi hatte die schmalen, gemeißelten Züge des verschlagenen Schatzmeisters. Larindolian hatte seine Finger in allem in der Stadt – er hatte Ausbilderin Morada manipuliert, hatte Zugang zu dem tödlichen Gerüst an der Kathedrale erlangt. Er hatte Ranis Leben hinter den Palastmauern in die Hand genommen. Er hatte Rani der Geheimhaltung innerhalb der Bruderschaft verschworen.
    Larindolian plante, den König zu stürzen. Wie lange würde es dauern, bis er die letzten Schritte unternahm – König Shanoranvilli und den letzten wahren Erben, Prinz Halaravilli, zu ermorden? Wie lange würde es dauern, bis Bashanorandi König von Morenia würde?
    Ranis Herz hämmerte. Sie

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