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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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vollführte mit dem unwillkürlichen Gehorsam eines wohlerzogenen Kindes einen Hofknicks vor der gebieterischen Statue, beugte unter dem ausgestreckten Arm den Kopf Trauernde Bürger hatten am Marmorsockel Gaben für den ermordeten Prinzen hinterlassen. Als Rani die traurigen gemeißelten Augen betrachtete, konnte sie Tuvashanoran so sehen, wie er am Ende seines Lebens dagestanden hatte – groß und starr vor Schmerz, ein Pfeil aus seinem Auge ragend, aus der steinernen Augenhöhle. Ranis Phantasie fügte das kobaltblaue Licht der Kathedralenfenster hinzu, und sie schrie bei der Vision beinahe auf, so wie sie es auch während Tuvashanorans Zeremonie getan hatte.
    Doch Rani hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und sie würde sich von ihrem Schuldgefühl nicht davon ablenken lassen, der Ausbilderin zu folgen, die die Wahrheit kannte. Während Rani den ausgestreckten Arm des Verteidigers bewusst eher als Segnung denn als Fluch begriff, erkannte sie, was sie tun musste, ungeachtet der Ratsmitglieder, die mit ihren geknoteten Hanfabzeichen auf dem Marktplatz patrouillierten.
    Sie verließ den Marktplatz.
    Moradas schmutziger Umhang huschte gerade um eine ferne Ecke. Rani folgte der Ausbilderin zunächst durch wohlbekannte Straßen. Obwohl Morada durch die Schatten schlich, fiel es Rani nicht schwer, die ältere Frau im Blick zu behalten. Noch während Rani sich den Kopf darüber zerbrach, wohin die Ausbilderin wohl eilte, umrundete Morada einige düstere Ecken und verließ das Händlerviertel dann gänzlich. Rani hatte eine vage Ahnung, dass sie sich auf Umwegen der Kathedrale nähern wollte. Die Häuser standen in den engen Straßen dicht zusammen, und bei vielen waren die oberen Stockwerke eingestürzt. Üble Gerüche drangen aus den Gossen herauf, und Rani bemühte sich, durch den Mund zu atmen.
    Morada schien das hinter verzogenen Türen hervorpolternde, raue Gelächter nicht zu beachten, und sie fuhr nicht einmal zusammen, als ein Mitleid erregendes Jammern durch einen klapprigen Fensterladen erklang. Rani bezweifelte schon, dass sie jemals wieder aus diesen düsteren Straßen herausfinden würde, als Morada an der Ecke zweier von Abfall überhäuften Gassen ein baufälliges Haus betrat. Rani kauerte sich an das mit Lehm verputzte Flechtwerk, nahm sich nur einen Moment Zeit, um ihre Kleidung enger um sich zu ziehen und ihre Haut so vor dem schmutzigen Gebäude zu schützen.
    Die Mauer war ebenso verfallen wie der Rest dieser Straßen, aber dieses eine Mal gereichte es Rani zum Vorteil. Sie konnte ihr Ohr an einen Spalt unter dem gebrochenen Fensterrahmen legen und dem lauschen, was sich in dem Haus abspielte. Gerade als sie sich an das verfallende Gebäude kauerte, zischelte eine Männerstimme, die vor Betrunkenheit verschwommen und böswillig klang: »Was hast du unter diesem Umhang, Frau? Du warst lange genug weg.«
    Hätte Rani Moradas Antwort nicht erwartet, hätte sie die elende und jammervolle Stimme der Ausbilderin niemals erkannt. »Du weißt verdammt gut, dass ich nicht früher zurückkommen konnte. Dieser verdammte Rat führt den Marktplatz wie ein Militärlager. Ich konnte fast nicht einmal diese bekommen.« Rani stellte sich vor, wie Morada ihren mageren Vorrat an Kartoffeln präsentierte.
    Der Mann schnaubte. »Es ist Haupterntezeit, und das ist alles, was du erreicht hast?«
    »Bei all den Tausend Göttern, Larindolian, du strapazierst meine Geduld.« Rani war so bestürzt, als Morada den Namen eines Adligen aussprach, dass sie fast laut gekeucht hätte. »Du weißt ebenso gut wie ich, dass es meinen augenblicklichen Tod bedeutete, wenn mein Gesicht erkannt würde. Du hättest einen Diener mit Geld zum Markt schicken können, um die edelsten Leckereien zu kaufen, oder du hättest zum Essen zum Palast zurückgehen können. Ich habe dir Essen gebracht. Ich habe es gestohlen, wie du es mir befohlen hast. Ich habe meine Treue dir und deiner Sache gegenüber bewiesen – führen wir unsere Pläne also fort.«
    Nach Moradas verärgertem Ausbruch herrschte lange Zeit Schweigen, und als Larindolian dann sprach, war seine Stimme eine gefährliche Mischung aus Schnurren und Grollen. »Meine Sache, hm? Ich dachte, du hättest unserem gemeinsamen Anführer Treue geschworen, Ausbilderin. Ich dachte, unsere Mission wäre auch deine Mission. Ich hätte erwartet, dass dich deine Gilde die Bedeutung der Hingabe gelehrt hätte.«
    »Meine Gilde hat mich alles gelehrt, was ich brauche. Mir war Hingabe schon lange vertraut,

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