Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
abzeichnen würden. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, ihren rebellischen Magen zu beruhigen. Sie ließ den Fahrtwind ihre Tränen davontragen.
»Ranita…«, begann Bashi, und sie spürte, wie er näher trat. Leichte Panik lag in seiner Stimme, eine wahrhaftige Furcht, die tief in seinem Geist zu entspringen schien. Sie wollte jedoch nichts von den Ängsten des Prinzen hören. Sie wollte keine linkische Entschuldigung hören. Sie wollte nicht, das Bashi von böse zu gut wechselte – und möglicherweise wieder zurück.
Rani zwang sich, über den Bug hinwegzublicken. Unglaublicherweise tollten die glatten, schwarzweißen Fische noch immer in der Bugwelle, ohne das über ihnen aufgeführte wütende Drama zu bemerken. Als Bashi nicht ging, gelang es Rani schließlich zu sprechen. Sie war entschlossen, das lastende, unbeholfene Schweigen zu brechen: »Seht Euch die Fische an.«
»Es sind Delfine«, antwortete der Prinz teilnahmslos. Dennoch konnte selbst er die springenden Tiere nicht ignorieren, und Rani sah, dass die Anspannung seiner Lippen nachließ. »Es gibt sie überall in diesen Gewässern. Es sind jedoch keine Fische.«
»Keine Fische!«, schnaubte Rani und vergaß vor lauter Verachtung ihren Vorsatz. »Natürlich sind es Fische. Sie haben Flossen und einen Schwanz!«
»Halte dich an Dinge, die du kennst, Ranita Glasmalerin. Delfine gebären ihre Jungen lebend, wie eine Hündin oder eine Sau.«
»Welchen Unterschied macht das?«
»Laut Epidemian, dem Philosophen, gebärt kein Fisch seine Jungen lebend. Außerdem sind Delfine klüger als Fische. Es ist bekannt, dass sie verirrte Fischer in ihre Heimathäfen führen.«
»Laut Epidemian«, höhnte Rani. »Ihr seid ein wahrer Gelehrter, oder?«
»König Halaravilli hat dafür gesorgt, dass ich ausgebildet wurde. Der König will sich wegen seines unwissenden Bastardbruders nicht schämen müssen.«
Rani wandte den Blick von Bashis Verbitterung ab und ließ ihn die Küste entlangschweifen. Sie bedauerte ihre harten Worte, wenn auch nur, weil sie Bashis Zorn erneut entfacht hatten. Rani versuchte, eine Brücke zu ihrem Gefangenenwärter zu schlagen. »König Halaravilli schämt sich nicht für Euch.«
Bashi lachte rau auf, und Rani konnte einen Moment die fuchsartigen Linien seiner Wangenknochen erkennen, das Erbe seines Verrätervaters. »Lügen stehen dir nicht, Ranita Glasmalerin.«
»Warum nennt Ihr mich so? Meine Gilde existiert nicht mehr.«
»Wie sollte ich dich sonst nennen? Du bist keine Händlerin mehr. Du bist keine Unberührbare, auch wenn du mit ihnen verkehrst. Wärst du lieber ein Soldat wie dieser Verräter Farantili? Oder sollte ich mich vor dir verbeugen und dich eine Adlige nennen?«
Ranis Magen verkrampfte sich, als sie an Farantili dachte, an den grauhaarigen Soldaten, der nichts Falsches getan hatte, der keinen Grund gehabt hatte, mit seinem Leben zu bezahlen. Sie zwang sich, den verächtlichen Klang in Bashis letzter Frage zu ignorieren, während sie feststellte: »Ich sehe mich als Rani Händlerin. Den Namen habe ich am längsten getragen. So werde ich mich nennen, bis meine Gilde wieder errichtet wird.«
»Womit handelst du denn, Rani? Was tauschst du?«
Rani blickte ins Wasser hinab und fragte sich, wie sie die Frage beantworten konnte. Sie hatte ihrer Familie Reichtum verschafft, indem sie die Muster in ihren Waren erkannt hatte, indem sie die Waren am vorteilhaftesten ausgelegt hatte. Nun rang sie darum, das Muster zu erkennen, die Logik darin zu finden, dass Bashanorandi zwei gewöhnliche Frauen entführte und nach Norden verschleppte. Sie sprach, ohne sich sicher zu sein, was sie sagen würde: »Lasst uns gehen, Bashanorandi.«
»Was?«
»Lasst Mair und mich gehen. Wir sind für Euch wertlos. Amanthia wird nichts in uns investieren. Wir sind keine Adligen. Ihr könnt für eine die Kasten wechselnde Händlerin und eine Unberührbare kein Lösegeld fordern. Bringt uns an Land und geht Eures Weges. Das wird für Euch kaum eine Verzögerung bedeuten, und Ihr könnt schneller reisen, wenn Ihr uns nicht bewachen müsst.«
Bashanorandi sah sie so lange an, dass sie glaubte, er erwäge ihre Bitte. Bevor er jedoch antworten konnte, näherte sich einer der Seeleute. Der Matrose verbeugte sich, als er herangekommen war, und sein Stirnrunzeln verzog auch die Tätowierung einer Sonne unter seinem linken Auge. Die Haut des Mannes war so sonnengebräunt, dass die Tätowierung fast nicht zu erkennen war und nur wie weitere
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