Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
batet mich, es Euch wissen zu lassen, wenn sie versammelt sind.«
    Hal zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er sich bewusst war, dass seine Miene an einen Totenkopf erinnern musste. Er bemühte sich, einen seiner wenigen Verbündeten am Hof nicht zu erschrecken. Einen treuen Schwertarm nicht zu entfremden. Hal wandte der Laibung den Rücken, dem Hof, auf den er vor zwei langen Wintern mit Rani hinausgeblickt hatte. »Dann lass uns gehen. Wir sollten den Rat nicht länger als nötig warten lassen.«
    »Ja, Euer Majestät.« Der Knappe streckte die Hand nach der Tür des Kinderzimmers aus, zögerte aber dann. »Äh, Euer Majestät…« Hal folgte dem Blick des Jungen und sah, dass er noch immer die Puppe seiner Schwester in der Hand hielt. Er wandte sich wieder um, setzte die Puppe auf die Bank neben dem Fenster und verschwendete einen Moment damit, ihr seidiges Haar glatt zu streichen. Dann schloss er die hölzernen Fensterläden, um den durchdringenden Wind auszuschließen. »Also lass uns gehen, Farso. Sprechen wir mit dem Rat.«
    Während sie durch die Gänge des Palastes schritten, hörte Hal die Stimmen in seinem Geist. Sie ließen von dem typischen Reimen ab und verlegten sich darauf, seine Fehlschläge aufzuzählen. Er hatte darin gefehlt, sein Volk anzuleiten, seit Shanoranvilli gestorben war. Er hatte darin gefehlt, die Bedrohung durch Bashanorandi zu erkennen. Er hatte darin gefehlt, die Frauen zu beschützen, für deren Sicherheit er verantwortlich gewesen war. Er hatte darin gefehlt, mit Sin Hazar zu verhandeln. Er hatte darin gefehlt, einen Grenzkonflikt friedlich zu bereinigen, der seine junge Regentschaft vernichten könnte. Er hatte gefehlt er hatte gefehlt er hatte gefehlt…
    Hal konnte den Blicken der Adligen nicht begegnen, als er seinen Platz am Kopf des Ratstisches einnahm. Die schwatzenden Stimmen nahmen die Namen jedes einzelnen Ratsmitglieds in Besitz und verdrehten die langen Reihen von Silben zu dunklen Gedichten. Hal ballte die Hände zu Fäusten. Die Stimmen konnten ihm hier nur schaden. Sie konnten nur bewirken, dass sich der Rat gegen ihn erhöbe. Die Reime, die ihn bis zum Alter von siebzehn Jahren am Leben erhalten hatten, könnten ihn jetzt vernichten, wenn er nicht die Kraft fand, sie zu bannen, sie abzuwehren, Stille heraufzubeschwören.
    Stille.
    Erst als Hal sich auf seinem reich verzierten Stuhl niedergelassen hatte, traute er sich zu, über den Tisch hinwegzublicken und die Adligen zu betrachten, die zu ihm gekommen waren. Herzog Puladarati war natürlich da, beugte sich vor, beide Ellenbogen auf den Tisch gestützt. Der ehemalige Prinzregent diskutierte mit seinem Nachbarn, beharrte mit Nachdruck und einer verstümmelten Hand auf einem Standpunkt, als habe er noch immer die Macht der Krone zu seiner Verfügung.
    Tasuntimanu war ebenfalls da, auf halber Höhe des Tisches, in den dunkelbraunen Umhang gehüllt, den er gerne über dem auffälligen Purpur und Silber seines Amtes trug. Nichts deutete auf den Ränkeschmied hin, der sich hinter diesem ruhigen Gesicht verbarg, nichts ließ die Gedanken vermuten, die unter dem kahl werdenden Schädel des Gefolgsmannes aufkamen. Obwohl Hal den Adligen einer eingehenden Prüfung unterzog, verriet Tasuntimanu seine Gedanken in keiner Weise. Herzog Puladarati gönnte er nicht einmal einen flüchtigen Blick. Also gut. Sollten die Verschwörer ihr Spiel fortführen – es wäre angesichts der Neuigkeiten, die Hal zu verkünden hatte, kaum wichtig.
    Als Hal seinen Blick weiterschweifen ließ, erkannte er erleichtert, dass auch Lamantarino anwesend war, der schwer atmend am anderen Ende des Tisches saß. Die Augen des alten Mannes tränten, und er fuhr wiederholt mit einem Taschentuch unter seiner langen Nase entlang. Hal bildete sich ein, das Atmen des alten Mannes über diese Entfernung hinweg hören zu können, den Katarrh hören zu können, der seine Lungen belastete. Egal. Lamantarino hatte freundlich zu Hal gesprochen. Lamantarino war vielleicht das, was einem Verbündeten des Königs im gesamten Rat am nächsten kam.
    Bevor Hal den Rat zur Ordnung rufen konnte, erhob sich Tasuntimanu und verbeugte sich steif. »Fühlt Ihr Euch wohl, Euer Majestät? Ihr wirkt blass.«
    »Es geht mir gut, Tasuntimanu.« Hal zwang sich zu antworten und wunderte sich, dass er über die Stimmen hinweg sprechen und wie ein normaler Mensch reagieren konnte.
    Tasuntimanu nickte ernst, zeigte seinen kahlen Schädel, als wolle er seine Treue betonen, und sagte:

Weitere Kostenlose Bücher