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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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geführt hatte, als sie sich zum ersten Mal von ihm hypnotisieren ließ. Er hatte sie damals die Geheimnisse des Glases gelehrt, auf den liantinischen Ebenen und in ihrer – Werkstatt in Morenia. Er hatte sie alles gelehrt, was sie wissen musste.
    Und sie hatte ihn hier in Brianta im Stich gelassen. Sie hatte ihn auf den ersten Befehl der Gilde hin beiseitegeschoben. Sie hatte ihn in die Arme des Weibsbilds in der Schänke getrieben.
    Tovin musste jedoch verstehen. Er wusste, was ihr das Glas bedeutete. Er wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, innerhalb der Gilde voranzukommen. Das war immerhin der Grund, warum er mit ihr nach Brianta gekommen war. Das war der Grund, warum er sie begleitet hatte. Er wollte, dass sie Erfolg hatte. Er wollte, dass sie eine Meisterin wurde.
    Rani wandte sich von der Kohlenpfanne ab und füllte ihre Lungen, atmete so tief durch wie möglich. Als sie wieder ausatmete, tat sie es langsam, drückte das Kinn auf die Brust, entleerte ihren Körper.
    Berylina war entleert worden. Berylina war zerquetscht worden.
    Nein. Konzentriere dich.
    Sie erinnerte sich an den strömenden Fluss, erinnerte sich an die Macht der Hypnose. Das hatte Tovin ihr geschenkt. Es war ein Werkzeug, wie das Diamantmesser, wie die feine Juwelierszange, die er benutzte, um Bleiketten zu gestalten. Sie musste ihr Innerstes finden. Sie musste ihre Kraft finden. Sie musste in ihre Hypnose hineingehen und die Kraft ihrer Vergangenheit finden.
    Sie atmete erneut ein, erinnerte sich all der Lektionen, die Tovin ihr jemals erteilt hatte. Sie atmete aus, und sie ließ ihre Schuld, ihre Angst, ihre Erinnerungen an Tovin und Berylina und Mair und Laranifarso los. Sie atmete erneut ein, füllte ihre Lungen, hob ihre Brust an, atmete, atmete, atmete.
    Als sie die Augen wieder öffnete, waren die schwarzen Flecken verschwunden. Der Schmerz hinter ihren Augen war zu einem Echo verblasst. Sie nahm ihre Zange auf und lötete die Bleigelenke für den Gott der Seide, benutzte die Folie, um den angrenzenden Bereich zu verankern.
    Jede Naht war einzigartig. Jede erforderte ihre Aufmerksamkeit, wenn sie Unvollkommenheiten in der Folie, Beschränkungen im Glas entdeckte. Jede verlangte, dass sie ihre Arbeit überprüfte, dass sie sie vollständig glättete, dass sie sie abkühlen ließ, hoffte und betete, dass nichts schiefging. Sie vollendete die erste Verbindungsnaht, und die zweite. Die dritte, die vierte und die fünfte.
    Sie hörte auf zu zählen, griff nach dem Glas, als wäre sie eines von Davins Geräten daheim in Moren. Sie verstand, was sie schuf. Sie wusste, was sie als Nächstes tun musste. Sie ließ ein Stück Glas fallen und hob es unbeschädigt wieder hoch, kehrte sofort zu ihrem Rhythmus zurück. Das Bleiband ging ihr aus, und sie holte von der anderen Seite des Raumes neues, glitt an ihren Kameraden vorbei, als wäre sie unsichtbar.
    Dann war die Bleiarbeit beendet, und sie hatte den Hauptteil des Fensters vollendet. Ein Schritt blieb noch – das Muster aufzumalen. Sie mahlte die bleischwarze Farbe instinktiv mit den Fingern. Vergangen war die Zeit, in der sie das Pulver prüfen musste, seine Feinheit anhand einer Probe testen musste. Sie wusste, wann sie genug gemahlen hatte, wann die Partikel klein genug waren, um Wasser aufzusaugen. Sie mischte die Farbe auf einer zusätzlichen, gezackten Glasscheibe, und dann wählte sie einen Pinsel.
    Ihr Handgelenk war ruhig, als sie die Borsten füllte, sie auf dem Glas umherrollte, so dass sie eine gleichmäßige Menge Farbstoff aufsaugten. Sie drückte die überzählige Farbe aus, presste die Borsten zwischen Fingern, die über Schmerz, über Erschöpfung hinausgelangt waren.
    Sie führte zuerst die feinen Arbeiten aus, die Linien von Lors Gesicht, die strahlenförmigen Runzeln neben seinen Augen. Sie zeichnete auf beiden Seiten seines Mundes Rinnen ein, tiefe, durch sein gewohnheitsgemäßes Stirnrunzeln bewirkte Kanäle. Sie verlieh dem Stoffballen Struktur, machte jedem Betrachter deutlich, dass sich der Stoff um seine hölzerne Form wölbte.
    Und dann malte sie die Octolaris. Sie erinnerte sich der großartigen Glasarbeit mit einer Spinne, die sie in Liantine gesehen hatte, das kunstvolle Muster, das ihr in der Spinnengilde den Atem geraubt hatte. Crestman hatte damals neben ihr gestanden, bevor sie an den Meister der Spinnengilde herantrat, bevor sie Morenias Rettung eintauschte.
    Crestman hatte neben ihr gestanden, bevor sie ihn verriet.
    Selbst dieser Gedanke genügte

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