Die gläsernen Höhlen - Das Marsprojekt ; 3

beugte sich über Ronnys Schulter und studierte die Angaben auf dem Schirm Zeile für Zeile. »Das ist interessant«, murmelte sie. »Kannst du mir die Liste in mein Postfach kopieren?«
    »Eins nach dem anderen«, ächzte Ronny. Liste an Elinn schicken. Schleusenlog aufrufen. Na also, da stand es: Out 14:07 Ariana DeJones, Urs Pigrato. Und ein paar Einträge weiter unten: In 16:24 Ariana DeJones, Urs Pigrato.
    »Könnte hinhauen«, meinte Ariana nachdenklich. »Von der Jefferson-Schlucht zurück in die Station braucht man etwa vierzig Minuten. Und wir haben mehr oder weniger sofort umgedreht, als wir das Artefakt hatten.«
    »Und was heißt das?«, fragte Urs.
    »Vielleicht überhaupt nichts«, sagte Carl. »Könnte genauso gut Zufall sein.«
    Elinn schüttelte den Kopf, dass ihre rostroten Locken flogen. »Das ist kein Zufall.«
    »Sondern?«, wollte ihr Bruder wissen.
    Sie stierte einen Moment nachdenklich vor sich hin, dann sagte sie: »Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich muss da erst was nachprüfen. Am besten, wir treffen uns heute Nachmittag im Versteck.«
    »Ich habe heute Nachmittag ein Interview mit Van Leer«, sagte Carl. »Das dauert bestimmt bis um vier Uhr.«
    »Vier ist in Ordnung«, meinte Elinn.
    »Was ist denn da draußen los?«, rief Ariana in diesem Moment. Sie hatte sich gerade setzen wollen und dabei war ihr Blick hinaus auf den Vorplatz gefallen.
    Im Nu drängelten sich alle neben ihr am Fenster. Schräg unterhalb des Schulungsraums, zwischen den Modulen 3 und 4 und nur halb zu sehen, standen zwei umgerüstete Rover. Drei Leute in Raumanzügen waren eben dabei, mithilfe des Lastenkrans von Modul 4 einen metallischen Zylinder an einem davon zu montieren.
    »Das sind Kabinenaufbauten«, erklärte Ronny. »Damit rüstet man Rover für Expeditionen aus.« Als die anderen ihn daraufhin halb verwundert, halb zweifelnd ansahen, fügte er hinzu: »Hat mir Mister Glenkow erzählt.«
    »Die werden ja wohl kaum ausgerechnet jetzt eine Expedition losschicken«, meinte Carl.
    »Doch«, ließ sich da zur allgemeinen Überraschung Urs vernehmen. »Am Donnerstag soll sie starten, Richtung Osten.«
    Das brachte ihm die skeptischen Blicke der anderen ein, doch er setzte sich vor seinen Schirm, als hätte er nichts bemerkt, und erzählte, was er gehört hatte.
    »Durch die Valles Marineris?«, fragte Carl nach.
    Urs nickte. »Ja. Das ist dieses große Tal am Äquator, nicht wahr?«
    »Das ist nicht einfach ein großes Tal. Das ist ein viertausendfünfhundert Kilometer langer Canyon, der längste, den man kennt, und er besteht aus mehreren Tälern.«
    Ronny sah Urs unwillig die Stirn runzeln. Ehrlich, was spielte sich Carl auch so auf?
    »Von mir aus«, sagte der Junge von der Erde. »Obwohl dieser Doktor Spencer nur was von dreitausend Kilometern gesagt hat, die er zurücklegen will.«
    »Klar«, meinte Ariana. »Er kalkuliert die Strecke natürlich von der Siedlung aus.«
    »Was sind das eigentlich, ›Mäusegänge‹?«, wollte Urs wissen. »Ich kann mir darunter überhaupt nichts –«
    In diesem Moment erklang ein Signalton aus den Lautsprechern und gleich darauf die gleichmütige, synthetische Stimme von AI-20, der Künstlichen Intelligenz der Siedlung. »Ich registriere, dass ihr zwar seit über einer halben Stunde im Schulungsraum seid, bis jetzt aber keines der Unterrichtsmodule aufgerufen habt. Da ihr zurzeit ausnahmslos mit eurem Lernpensum im Rückstand seid, wäre es angebracht, eine entschlossenere Arbeitshaltung an den Tag zu legen. Ich möchte ungern eure Eltern informieren müssen.«
    »Sklaventreiber«, murrte Carl.
    »Ich bin doch fast gar nicht im Rückstand«, maulte Elinn.
    Aber sie nahmen alle folgsam ihre Plätze ein. Als Ronny das Unterrichtsprogramm aufrief, schlug es ihm als Erstes Übungen in englischer Grammatik vor. Er ächzte.
    Ariana musste ihren Schirm erst einschalten. »Ich zeig dir morgen mal so einen Mäusegang«, versprach sie Urs.
    Der Junge von der Erde starrte immer noch den Lautsprecher an der Decke an. »Hat das Ding tatsächlich ›ungern‹ gesagt?«
    Niemand beachtete den Rover, der sehr, sehr langsam über den Platz vor der Oberen Station rollte, die Ausfahrt passierte und dann, immer noch praktisch im Schritttempo, Richtung Süden fuhr.
    An Bord war Jurij Glenkow. Wäre jemand bei ihm gewesen, hätte er sich gewundert, warum der grauhaarige Russe in einem fort den Kopf schüttelte. Hätte er außerdem Russisch verstanden, hätte er gehört, wie der