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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Samt bezogener Sessel, in einem Ofen auf der anderen Seite des Zimmers prasselte ein munteres Feuer, und an den Wänden hingen dicht an dicht Corradinos wertvollste Spiegel. Sie warfen den Feuerschein hundertfach zurück und ließen den Raum viel größer erscheinen, als er war. Corradino wusste, dass er auch diese Stücke eines Tages würde verkaufen müssen, doch noch war es nicht so weit. Zwischen den Spiegeln hingen Wandleuchter, die mit phantastischen Arabesken verziert waren. Im Licht der Kerzen schimmerten leere Bilderrahmen. Sie waren so herrlich, dass auch das schönste Porträt darin verblasst wäre.
    Nur die Gerätschaften in der Mitte des Raumes ließen darauf schließen, dass dies hier kein luxuriöser Palazzo war. Denn hier standen längliche Wasserbottiche, Wannen, die zum Versilbern genutzt wurden, Phiolen mit Farbpigmenten und Destillierkolben mit übel riechenden chemischen Substanzen.
    Hier in dieser Kammer bin ich sicher. Es ist genau der richtige Ort für das, was ich heute Nacht vorhabe.
    Corradino wollte nach seinem eigenen Entwurf ein Messer herstellen, das denta genannt wurde - abgeleitet von dente, dem Zahn. Dieses Messer war nicht so schlank wie die Mörderwaffen, die man bei ihm in Auftrag gab. Kurz und robust, eignete sich das denta aus schwarzem Glas mit seiner gefährlichen Spitze sowohl zum Schneiden als auch zum Graben. Einen Augenblick lang zögerte der Glasbläser, ließ die Augen über seine Pulver und Tinkturen wandern und überlegte, aus welchem Glas das Messer sein sollte. Dann traf er eine Entscheidung.
    Obsidian. Das älteste Glas der Welt.
    Er zog sein Wams aus und machte sich an die Arbeit. Durch das große Feuer heizte sich der Raum rasch auf, und bald herrschte eine enorme Hitze. Statt wie üblich Sand ins Feuer zu werfen, nahm Corradino diesmal eine Hand voll pulverisierten Bimsstein vom Stromboli-Vulkan. Dann fügte er etwas Schwefel hinzu, der ihm so in die Nase stach, dass er sich ein Tuch vor das Gesicht band. In dieser Nacht wollte er das schwarze Glas herstellen, das in seiner natürlichen Form hin und wieder von den Vulkanen im Süden ausgespien und beim Erstarren hart wie Stein wurde.
    Mit einem feuerfesten Spatel mischte Corradino ein wenig von dem Pulver unter ein Klümpchen der Glasmasse, die den ganzen Tag über im Feuer geruht hatte wie ein Salamander in der Sonne. Er durchmischte und erhitzte das glühende Kügelchen, fügte noch ein wenig Bimsstein und etwas Pech hinzu, bis die Masse dunkel und zähflüssig wie Sirup war. Dann erst nahm er seinen Pontil zur Hand. Um dem Messer seine endgültige Gestalt zu geben, formte er zunächst das Heft auf dem Sattel aus Holz und Leder, der neben dem Feuer    stand. Er wusste, dass nichts schief gehen durfte. Erst als er mit dem Ergebnis wirklich zufrieden war, hielt er das andere Ende des Obsidiangebildes eine Zeit lang ins Feuer. Sobald es zu glühen begann, zog er es heraus und spannte es mit dem erhitzten Ende nach unten in einen Schraubstock. Dann sah er zu, wie das zähflüssige, geschmolzene Glas durch sein eigenes Gewicht in die Länge gezogen wurde, bis sich schließlich ein paar Tropfen lösten und dabei eine nadelfeine Spitze entstand. Durch diese Tropfmethode, eine Erfindung Corradinos, wurde die Spitze des Messers feiner und gleichmäßiger, als es durch nachträgliches Schleifen und Polieren möglich gewesen wäre. Auf die Art und Weise bildete sich die Schneide von allein - das Glas fand seine eigene Form, Corradino zählte einige Herzschläge, dann, genau im richtigen Augenblick, drehte er den Schraubstock um. Während des Erstarrungsprozesses bog sich die Klinge ein wenig, bis sie dem Zahn eines Raubtiers glich. Der gedrungen wirkende Dolch mit seiner tödlichen Spitze funkelte im Feuerschein.
    Ja, so ist es gut. Weil Klinge und Heft aus einem Stück sind, gibt es an diesem Messer keine schwache Stelle.
    Während Corradino darauf wartete, dass sein schwarzes Messer abkühlte, blickte er sich in der Kammer um. Diesen Raum, den außer ihm nur Giacomo kannte, hatte er einen Tag nachdem er sein Verfahren zur Spiegelherstellung entwickelt hatte, eingerichtet. Das Zimmer bewahrte all seine Geheimnisse.
    Vor allem jenes Geheimnis der Glasbläserkunst, auf das Corradino durch bloßen Zufall gestoßen war und das seine geldgierigen Herren, die Zehn, dazu bewogen hatte, ihn zu verschonen. Es hatte ihm dazu verholfen, dass er Murano verlassen und sich in Venedig frei bewegen bewegen durfte. Und so hatte es

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