Die Glasfresser
noch in der Villa Sperlinga vorbei und reiten auf dem Pony.
Er ist still und geht voran. Wir sollten eine langsame Gangart beibehalten, damit wir nicht auffallen, doch jedes Mal, wenn Strahl jemanden sieht, der in unsere Richtung geht, bedrängt er Morana, tritt an seine Seite, rückt ihm auf den Leib, genießt die Möglichkeit, Hindernisse zu konstruieren.
Schließlich erreichen wir die Villa Sperlinga und biegen nach rechts ab, in den Viale Campania. Morana wechselt mit uns die Richtung, wirft einen Blick auf das Pony, das zwischen den Beeten verschwindet.
Wir gehen nachher hin, sagt Strahl leise zu ihm.
Nach hundert Metern biegen wir links ein. Viale delle Magnolie. Wir bringen noch weitere vierzig Meter hinter uns und bleiben vor einem Eingang stehen. Strahl sieht sich um: niemand da. Es ist zwei Uhr nachmittags, um diese Zeit essen die Leute oder ruhen sich aus. Strahl zieht die Schlüssel aus der Tasche, schließt auf, wir treten ein, gehen hinunter. Zwei Treppenabsätze. Von den Wänden bröckelt der Putz, dahinter roher Beton. Wir bringen Gänge hinter uns, kommen an einem Raum vorbei, wo vom Geräusch her die Heizung sein müsste, noch ein paar Schritte, und Strahl öffnet eine kleine Holztür. Dort steht Flug und wartet auf uns. Er hat eine Leine in der Hand, und kaum ist Morana drinnen, packt er seine Arme und schnürt die Leine darum. Das Leder scheint in den Stoff der Jacke und in den Pullover einzuschneiden, und darunter in die Haut. Nach wenigen Sekunden kann Morana die Arme nicht mehr bewegen, aber es wäre auch sonst nichts geschehen. Wir sind Opfer der Orthodoxie und führen sinnlose Akte aus.
Es ist das erste Mal, dass ich hier bin. Bei der Vorbereitung des Gefängnisses in den vergangenen Tagen war meine Beteiligung nicht vorgesehen. Um Risiken zu vermeiden, haben sie mir gesagt. Ich schaue mich um: Es gibt keine Öffnungen, das elektrische Licht ist eingeschaltet. Eine Glühbirne, die an einem Draht an der Wand hängt. Nur dadurch kann man etwas sehen. Wie sie mir gesagt hatten, ist der Raum sehr klein, dreieinhalb Meter Seitenlänge.
Und nicht hoch. Was man nicht brauchte, ist in den letzten Tagen fortgeschafft worden. An alle Wände haben Strahl und Flug Eierkartons geklebt. Um sie schalldicht zu machen, erklären sie mir und lassen ein fachliches Wissen durchblicken, von dem sie nur sehr wenig mit mir teilen möchten. Ich frage mich, frage aber nicht sie, wo sie all diese Eierkartons herhaben. Ich stelle mir vor, wie sie tagelang Eier essen, nur Eier: konzentriert, unerbittlich, ihre Mägen, die Eidotter und Eiweiß verarbeiten, die Eierkartons, die sich in hohen Stapeln ansammeln. An einer der Wände ist ein Verschlag im Verschlag: Moranas Gefängnis. Man hat es geschickt gebaut, Bretter und Sperrholzplatten miteinander vernagelt und in der Mitte einen Eingang gelassen, der durch einen Türflügel verschlossen und mit einem Riegel von außen zugesperrt werden kann. Insgesamt ähnelt es dem Stall der Gans, hat jedoch etwas Klareres, Gewaltsameres in der Form: ein zu einem Bunker erhobenes oder heruntergekommenes Lager. Innen sind die Wände der kleinen Zelle mit Eierkartons bedeckt - noch mehr Eigelb, noch mehr Eiweiß -, und auf dem Boden liegt eine Decke. Draußen, gleich davor, ein kleiner Pappkarton. In dem Karton, erklärt mir Strahl, sind Kekse und eine Flasche. Neben dem Karton, in einem Meter Höhe vom Boden, ein Wasserhahn in der Wand. Er funktioniert, dort wird man Wasser holen.
Flug schiebt Morana in die kleine Zelle, rückwärts, sodass die Beine herausschauen. Er nimmt eine zweite Leine und bindet auch seine Beine zusammen, zieht das Leder so fest, dass die Waden übereinandergleiten. Er spricht leise mit ihm, betont jedes Wort, als er ihm sagt, er soll mit dem Kopf herauskommen. Er fragt ihn, ob er Durst hat, ob er Wasser will. Morana schüttelt den Kopf, da greift Flug zu einem Stofffetzen, steckt ihn Morana in den Mund, nimmt braunes Paketklebeband, weist ihn an, sich nach vorn zu bücken, und klebt es ihm um den Kopf, damit der Stofffetzen nicht verrutscht. Er kontrolliert, ob das Klebeband nicht auch über die Nase geht, sagt ihm, er soll die Knie an die Brust ziehen und den Kopf zwischen die Beine stecken. Dann schiebt er ihn hinein, wobei ihm Strahl hilft, schließt die Tür
und verriegelt sie. Er sagt ihm, er soll Ruhe bewahren, wir würden später wiederkommen.
Wir gehen der Reihe nach hinaus, im Abstand von jeweils zwanzig Minuten, einer nach dem anderen. Zuerst
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