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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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Eßzimmer hinüber.
    Auf dem Tisch lagen ein länglicher, geschäftsmäßiger Brief derSommerschule und ein dünner, blauer Brief auf übriggebliebenem Yale-Papier, der in Buddy Willards klarer Handschrift an mich adressiert war.
    Mit einem Messer schlitzte ich den Sommerschulbrief auf.
    Da ich für den Schreibkurs nicht angenommen sei, hieß es, könnte ich ersatzweise einen anderen Kurs wählen, ich sollte allerdings noch am gleichen Morgen im Zulassungsbüro anrufen, sonst sei es zu spät für eine Einschreibung, die Kurse seien fast ausgebucht.
    Ich wählte die Nummer des Zulassungsbüros und hörte mir an, wie die Zombiestimme mitteilte, Miss Esther Greenwood sage alle Pläne für eine Teilnahme an den Sommerschulkursen ab.
    Dann öffnete ich den Brief von Buddy Willard.
    Buddy schrieb, er werde sich wahrscheinlich in eine Krankenschwester, die ebenfalls Tb habe, verlieben, aber seine Mutter hätte für den Juli ein Haus in den Adirondacks gemietet, und wenn ich mitkäme, würde er vielleicht erkennen, daß seine Gefühle für die Krankenschwester nur eine vorübergehende Schwärmerei wären.
    Ich griff nach einem Stift und strich Buddys Mitteilung durch. Dann drehte ich das Blatt um und schrieb auf die Rückseite, ich sei mit einem Simultandolmetscher verlobt und wolle Buddy nie wieder sehen, meine Kinder sollten keinen Heuchler zum Vater bekommen.
    Ich schob den Brief in den Umschlag zurück, schloß ihn mit Klebeband und adressierte ihn, ohne eine neue Marke aufzukleben, zurück an Buddy. Ich fand, diese Mitteilung war ihre drei Cents wert.
    Dann faßte ich den Entschluß, in diesem Sommer einen Roman zu schreiben.
    Hinterher würde eine Menge Leute große Augen machen.
    Ich spazierte in die Küche, schlug mir ein rohes Ei in eine Tasse mit rohem Rindergehacktem, rührte um und aß. Dann stellteich den Kartenspieltisch auf die abgeschirmte Terrasse zwischen Haus und Garage.
    Ein üppiger Busch Falscher Jasmin versperrte den Einblick von der Straße, die Hauswand und die Garagenwand kümmerten sich um die Längsseiten, und nach hinten schützten mich ein Birkengehölz und eine Buchsbaumhecke vor Mrs. Ockenden.
    Ich zählte dreihundertfünfzig Blatt feines Briefpapier von dem Vorrat ab, den meine Mutter im Flurschrank unter einem Stapel alter Filzhüte, Kleiderbürsten und Wollschals verwahrte.
    Auf der Terrasse zwischen Haus und Garage spannte ich das erste jungfräuliche Blatt in meine alte Reiseschreibmaschine.
    Mit einem anderen, distanzierten Bewußtsein sah ich mich, umgeben von zwei weißen holzverkleideten Wänden, einem Falschen Jasmin, einem Birkengehölz und einer Buchsbaumhecke, klein wie ein Puppe in einem Puppenhaus auf dieser Terrasse sitzen.
    Ein Gefühl von Zärtlichkeit erfüllte mein Herz. Meine Heldin würde ich selbst sein, allerdings unter einer Maske. Sie sollte Elaine heißen. Elaine. Ich zählte die Buchstaben an den Fingern ab. Auch Esther hatte sechs Buchstaben. Ich hielt das für ein gutes Zeichen.
    Elaine saß in einem alten gelben Nachthemd ihrer Mutter auf der Terrasse und wartete darauf, daß etwas geschah. Es war ein drückend heißer Morgen im Juli, und Schweißtropfen krochen an ihrem Rücken hinab, einer nach dem anderen, wie langsame Insekten.
    Ich lehnte mich zurück und las, was ich geschrieben hatte.
    Es kam mir recht lebendig vor, und auf die Stelle mit den Schweißtropfen und den Insekten war ich stolz, ich hatte bloß das dunkle Gefühl, ich hätte sie vor langer Zeit mal irgendwo gelesen.
    Ungefähr eine Stunde saß ich da und überlegte mir, wie es weitergehen sollte, und auch in meinem Kopf saß die barfüßigePuppe im gelben Nachthemd ihrer Mutter da und starrte vor sich hin.
    »Aber Liebling, willst du dich denn nicht anziehen?«
    Meine Mutter war darauf bedacht, mir nie irgendwelche Anweisungen zu geben. Sie redet mir immer nur gut zu, wie es intelligente, reife Menschen tun.
    »Es ist schon fast drei Uhr.«
    »Ich schreibe einen Roman«, sagte ich. »Ich habe keine Zeit, mich aus-oder an-oder umzuziehen.«
    Ich lag auf der Bank, die auf der Terrasse stand, und hielt die Augen geschlossen. Ich konnte hören, wie meine Mutter die Schreibmaschine und die Papiere wegräumte und den Spieltisch für das Abendessen deckte, aber ich rührte mich nicht.
    Wie Sirup sickerte Trägheit durch Elaines Glieder. So muß man sich fühlen, wenn man Malaria hat, dachte sie.
    In diesem Tempo würde ich, wenn ich Glück hatte, eine Seite am Tag schaffen.
    Dann fiel mir ein, wo das

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