Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
Sie eigentlich ausgerechnet einen Kakadu?“ fragte Karlchen Kubatz, der sich wegen des Vogelgeknatschens mit der flachen Hand sein freies Ohr zudecken mußte. „Das Biest ist ja so laut, daß man sein eigenes Wort nicht mehr versteht."
„Früher hab’ ich Fische gehabt“, erwiderte die Pensionsinhaberin. „Aber die sind mir zu ruhig. Wenn man so allein ist wie ich, seitdem es meinen Mann nicht mehr gibt...“ Sie schnüffelte und rieb sich ihr linkes Auge, als sei es plötzlich von einem Staubkorn erwischt worden. „Aber um das zu verstehen, mußt du noch ein paar Jahre älter werden.“
Da sich im Hörer jetzt die Stimme des Chefredakteurs der Bad Rittershuder Nachrichten meldete, mußte sich Karlchen glücklicherweise keine Antwort einfallen lassen.
„Was gibt's?“ fragte er.
„Ich wollte euch nur sagen, daß mit der heutigen Post alle Flugscheine eingetrudelt sind“, sagte Herr Kubatz. „Und auch Herr Bissegger ist ins Kempinski umgesiedelt worden, obgleich ihn die Fernsehleute doch zuerst in einem billigeren Hotel unterbringen wollten. Unsere Expedition zeltet jetzt also unter demselben Dach. Abfahrt ist Dienstag früh schon kurz nach sieben mit dem Zug bis Nürnberg, und anschließend geht es dann gleich weiter per Flugzeug nach Berlin. Das wäre alles.“
„Genügt ja auch“, meinte Karlchen trocken und legte auf.
Die neuen Nachrichten brachten natürlich wieder einige Unruhe in das Zimmer von Referendar Bissegger.
Man freute sich, rieb sich vergnügt die Hände, und einige pfiffen gut gelaunt vor sich hin. Aber als sich der dickliche Sputnik überhaupt nicht mehr beruhigen wollte und aufgeregt um seinen Stuhl herumtanzte, blickte Emil Langhans durch seine dunkle Hornbrille zuerst in das Buch, das vor ihm auf seinen Knien lag, und dann zu Herrn Bissegger hinüber. „ Kadesch am mittleren Orontes ist durch eine Schlacht besonders berühmt geworden. Wann fand sic statt, und wer bekämpfte sich?“
„Um eintausendzweihundertneunundneunzig". antwortete Herr Bissegger nach kurzem Überlegen.
„Und wer waren die beiden Gegner?“ bohrte Emil Langhans nach.
„Ramses II. und der Hethiterkönig Muwatallis .“
Als es vor dem Fenster allmählich immer dunkler wurde, schlug Herr Bissegger vor, für heute Schluß zu machen. „Aber die Methode ist goldrichtig", bemerkte er. „Eure Fragen kommen auf diese Art völlig unsortiert und springen wie Kaninchen von einer Zeitepoche in die andere. Das zwingt meine grauen Zellen dazu, auf die verrücktesten Überraschungen gefaßt zu sein. Ein paarmal habt ihr mich ganz schön überrumpelt und ins Schwitzen gebracht. Viel schlimmer kann mich der Quizmaster beim ,Großen Preis’ auch nicht in die Zange nehmen."
„Und was Sie betrifft, Herr Referendar“, erwiderte Paul Nachtigall grinsend, „Sie berechtigen zu den kühnsten Hoffnungen.“
Die Glorreichen Sieben applaudierten vergnügt, und Emil Langhans fragte: „Wir bleiben also dabei?“
„Ich bitte euch sogar darum“, antwortete Herr Bissegger.
„Dann abgemacht, wir versammeln uns hier in jeder freien Stunde“, sagte der Boß der Glorreichen Sieben.
„Und vormittags, während ihr in der Schule seid, kann ich ja systematisch weiterackern, wie bisher“, sagte der Referendar.
Später beim Verabschieden überredete Paul Nachtigall Herrn Bissegger schließlich noch dazu, sich morgen früh ihrem Waldlauf anzuschließen. Frau Elfriede Breitschuh besaß ein Fahrrad, was umgehend festgestellt wurde, und Emil würde den Referendar zusammen mit Manuel Kohl abholen. Die Pension Flora lag ohnehin auf ihrem Weg zum Waldsee.
„ Mens sana in corpore sano “, zitierte Herr Bissegger .
„Ist ein alter Hut, ich weiß“, grinste Paul Nachtigall. „Aber es ist was dran.“
„Stimmt“, stellte Emil Langhans mit ernster Miene fest. „Sie müssen auch körperlich fit sein, wenn Sie in Berlin vor die Scheinwerfer spazieren.“
Auf den Waldwegen und Wiesen am Fuß des Zobel bergs zeigte es sich dann schon am nächsten Morgen, daß Herr Bissegger keinesfalls so unsportlich war, wie es die Glorreichen Sieben und mit ihnen das ganze Gymnasium vermutet hatten. Er konnte das Tempo fast bis zum Ende mithalten. Als er schließlich dann doch auf dem letzten halben Kilometer vor dem Bootshaus des städtischen Ruderclubs ein wenig schlappmachte, tat Karlchen Kubatz so, als hätte er gleichfalls mit seiner Kondition Schwierigkeiten, und blieb an seiner Seite.
„Du bist wie eine Krankenschwester zu mir“,
Weitere Kostenlose Bücher